
Es kann ja ganz unterhaltsam sein, Giftzwerge dabei zuzuschauen, wie sie um sich schlagen, lustige Sachen schimpfen und dabei diesen irren Blick drauf haben. So mit weit aufgerissenen Augen und gefletschten Zähnen.
Wenn jemand berühmt ist, oder war oder immer noch ist, so wie einst Klaus „Verstehe-die-Frage-nicht“ Kinski, dann fragt man sich: Warum kamen die Leute früher so gern zu seinen Live-Auftritten?
Um in einem stickigen Club den ganzen Abend Gedichte zu hören? Nein, die wollten sehen, wie Kinski wieder ausrastet.
Die wollten ihr Spektakel. — Eines, dass man nicht verpassen darf, falls es passiert. Und eines, was sie erzählen können.
Das spannende daran war und ist wie immer: Passiert es dieses Mal? Oder geht noch mal alles gut? Man leidet ja schließlich mit. So als wenn du einen Hund beobachtest, der von seinem Besitzer zu sehr liebkost wird und du dann nur noch willst, dass der Köter endlich zubeißt.
Geht es nicht gut, was fast alle offen bedauern und sich trotzdem heimlich wünschen, dann sitzt man zwar in der ersten Reihe. Aber in sicherer Entfernung. Oder nah genug, dass Kinski deinen provokanten Zwischenruf hören kann. Perfekt.
Die von Klappsen-Klausi vorgetragene Lyrik war damals genauso langweilig wie heutzutage die Aufzählung der Connectivity-Fähigkeiten eines 5er BMW.
Aber wenn jemand berühmtes ausrastet, er – scheinbar ohne Sinn und Verstand – die Kontrolle verliert oder ihm sonst wie der Gaul durchgeht, dann ist das der Brüller.
Nur: Geht so ein Brüller – rein marketingtechnisch gesprochen – auch bei einer Person, die nicht reich und berühmt ist oder kein öffentliches Ventil hat? Kann auch ein völlig Unbekannter durch einen guten Konflikt die gewünschte Aufmerksamkeit bekommen?
Um ehrlich zu sein, es funktioniert nicht wirklich. Du kannst dich gern auf dem Marktplatz stellen und anfangen die Leute zu beschimpfen. Aber das bringt dir nichts, außer jemanden, der dir ein Rezept für dringend benötigte Pillen ausstellt.
Oder du beschränkst dich nur auf eine klar umrissene Zielgruppe. Deine Nachbarn. Bei denen gibt es Konfliktpotential bis zur Bewusstlosigkeit.
Ansonsten bedeutet es, dass du durch alleiniges schüren von Konflikten nicht die Aufmerksamkeit bekommst die du dir wünschst. Sein denn, du bist wie schon erwähnt, bereits berühmt.
Konflikte nützen nur den Etablierten
Wer interessiert sich ganz traditionell und ganz besonders für Konflikte? Der, der daran verdient. Und das sind die Medien. Ein Konflikt ist ein Problem, dass nur durch einen Showdown gelöst werden kann. Und den will jeder sehen.
Und zu so einem Konflikt muss es erst einmal kommen.
Zurück zu Kinski. Der konnte nicht mit Menschen umgehen. Sie waren ihn im Weg, obwohl er sie brauchte. Der Konflikt war deshalb immer dann akut, wenn er mit jemanden zusammen arbeiten oder leben musste. Er konnte das nicht abschalten, nur kurzzeitig unterdrücken. Der Mann war im Grunde ein wandelnder Konflikt.
Allerdings, und darüber redet kaum einer, konnte Kinski mit einigen von ihm ausgewählten Leuten gut klar kommen.
Berühmte Schauspieler haben sich ihre Freunde immer selbst ausgesucht. Steve McQueen hatte nur einen einzigen. Einen damals kleinen Jungen, der sich nur für seine Autos und die Privatwerkstatt interessierte und nicht für den „Star“ und seine Filme.
Durch Konfliktfreudigkeit verlierst du heutzutage Aufmerksamkeit
Politiker gewinnen dadurch manchmal Profil. Oder Wahlen. Aber wer nicht etabliert ist und keine unendlichen Mittel für Public Relations und Anwälte hat, tut besser daran, sich Möglichkeiten zu überlegen, was besser zu Aufmerksamkeit führt. Eben langfristiger und dauerhafter.
Kinski s Dauerhaftigkeit war, dass er auch so schon, also ohne Ausraster, einfach als genialer Schauspieler berühmt war. Das heißt, dass er ohne Ausraster noch berühmter geworden wäre. Er hätte mit Sicherheit mehr und bessere Projekte angeboten bekommen von Leuten, die nun Mal mit einem Deutschen Psycho verständlicherweise nichts zu tun haben wollten.
Aber für dich und für mich ist es keine so gute Idee, so zu verfahren, wie es die Großen vormachen. Da rate ich lieber zum Gegenteil. Dabei musst du dich niemanden anpassen oder unterordnen. Auch niemanden, der dir einen viel zu teuren Rat gibt. Dann mache besser gar nichts.
Brüllaffen und Stänkereien gibt es schon zu viele, jede(r) weitere geht da unter. Der immer selbe Krach wird nur mehr und noch lauter.
Daher gilt jetzt der Umkehrschluss: In einem Krach-und-Konflikt-Ozean voller Gleichförmigkeit bekommt schon eine leise Stimme Aufmerksamkeit, die die anspricht, die der Rest ignoriert.
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