Original image by Eric and Mary Ellen

Stell dir vor, du fährst bei kühlen, trockenen und relativ mildem Winterwetter mit dem Motorrad bei 66,6 km/h in einer Kolonne.

Überholen ist keine gute Idee, da zufällig gerade die Bullen hinter dir sind. Kein Problem.

Denkst du. Und fährst gut gelaunt lang hin und freust du dich über den Anblick der ebenso gemächlich grasenden Kuhherde auf der linken und der Ziegenherde auf der rechen Seite.

 

Easy riding, nur keinen Stress

Wegen der Kühe links denkst du an ein Steak mit Sour Cream und wegen der Ziegen rechts an nervige Weiber oder die letzte Motorradtour in Tirol.

Bist du Vegetarier, denkst du an Milka-Schokolade.

Bist du Veganer, also der Katholik unter den Vegetariern, dann kannst du nicht anders als in Gedanken zu sündigen.

Als solcher denkst du wie der Fleischfresser an ein Steak. Nur mit dem Unterschied, dass jenes noch saftiger und noch aromatischer gebraten wurde.

Und als Veganer wird dir schnell klar, warum der Teufel nicht nur zu 66,6% an ein Nutzvieh erinnert. Sondern exakt so aussieht wie Kevin Gamsreitner, der eine Beamtenkarriere anstrebende Sprössling von Ziegenbauer Alois Gamsreitner.

Der Alte musste ja neun Monate vor der Geburt besoffen Bauer sucht Frau gucken. Während sein preisgekrönter Zuchtbock wieder mal die Gelegenheit ergriff, um es mit Frau Gamsreitner zu treiben. Das Erbebnis: Kevin.

Solche Gedanken helfen damit zu leben, dass hinter dir die Bullen her fahren. Denn sie sind in gewisser Weise Kevin. Oder die führen vom Dienst beflissen das aus, was sich die Kevins dieser Welt gegen dich alles ausdenken.

 

Die Kuhbremse

Als du gerade noch in deine beschaulichen Gedanken über Kevin versunken bist, bekam es eine aggressive Kuhbremse wohl mit einer geübten Kuh zu tun, deren von Fäkalien verklebter Schwanz es mit der Rückhand von Roger Federer bei den US Open hätte aufnehmen können.

Die besagte Kuh vertrieb mit einen Schwanzschlag die Kuhbremse so, wie es Kühe eben machen. Mit einem Schwenk des Schwanzes.

Der Schwanzschlag war aber so gekonnt, dass die Kuhbremse Sekunden später eine tödliche Bruchlandung auf die Windschutzscheibe deines Vordermannes hinlegen musste.

Die Folgen von dem Kuhbremsen-Crash merkst du nämlich, falls Kevin vorne am Steuer ist. Der wird dir nämlich den gesamten Inhalt seiner Scheibenwaschanlage direkt in deinen vor Langeweile gähnenden Mund sprühen.

Du hattest noch gar keinen Durst nach hochprozentigem. Aber verschluckst vor Schreck genug davon, um die Kevins hinter dir in ihrem Weltbild zu verstärken, dass Biker während der Fahrt saufen oder angetrunken fahren. Sofern sie dich aus purer Geilheit noch rauswinken.

Die Autofahrer, die ihre Frontscheiben waschen während du hinter ihnen fährst, sind die selben Leute, die ihre glühenden Zigarettenkippen vor dir aus dem Auto schmeißen, um dann in deinem Schritt zu landen. Dann entflammt dein Zorn erst so richtig. Dann hebt sich der Helm weil die Hörner raus kommen. Aber sonst, denkst du, ist Motorrad fahren schön.

 

Kein Erbarmen

Rücksicht, hier im wahrsten Sinne des Wortes, brauchen wir nicht zu erwarten. Also nehmen wir sie.

Fakt ist, du musst kein Biker sein, um zu merken, dass nur die wenigsten Leute auf ihre Mitmenschen achten. Ich meine diese Mentalität, des „außer acht lassen“, dass es noch Andere in direkter Umgebung gibt, dessen Leben wir, auf gute oder auf idiotische Art, beeinflussen.

Wenn ich Auto fahre und hinter mir Biker (oder sogar die Bullen im Passat) fahren, dann achte ich darauf, dass die hinter mir sicher sind.

Selbst wenn ein ganzer Kuhfladen auf meiner Frontscheibe landen würde und ich dabei noch genug sehe, würde ich weder die Wischanlage einschalten noch ruckartig bremsen, falls hinter mir jemand fährt.

Ich würde nur darauf achten, dass ich niemanden schade. Oder so rum: Habe ich die Kacke abgekriegt, dann habe ich die Verantwortung. Ob sie mir schmeckt oder nicht. Den eines ist schon von vornherein klar: Nichts ist lebensbedrohlicher als der normale Straßenverkehr. Und das gilt für alles andere auch. Nur schleichender.

Wenn ich es im Geschäft oder im Alltag mit Anderen zu tun bekomme, dann achte ich darauf, dass es auch ihnen gut geht — sofern es in meiner Macht steht, irgendwie Sinn macht und ich nicht gerade von einer Kuhbremse gestochen wurde.

Heutzutage gibt es leider zu viele, die nur dann nett und freundlich sind, wenn es ihnen im Moment nützt. Die denken nur ganz kurz, also an sich. Die betrachten ihre Mitmenschen als Ressource, Klickvieh oder Steigbügelhalter für das, was bei denen gerade so angesagt ist.

Einige Leute machen die Welt nicht besser, sondern schlechter, indem sie dafür sorgen, dass andere aufgrund der Erfahrungen mit ihnen misstrauischer gegenüber jeden neuen werden, den man begegnet. Aber ohne ein Mindestmaß an Vertrauen läuft nichts.

Du könntest jemanden sein Leben ruinieren, indem du ihn heute geschäftlich ausnutzt oder betrügst. Ich rate davon ab. Dann lieber keine Geschäfte machen und warten, bis man reif genug dafür ist.

Das heißt aber nicht, dass du immer lieb und nett sein musst. Im Gegenteil. Jeder, der Situationen gut einschätzen kann, der kann auch dosiert zurückschlagen.

Ja, vielleicht liegst nach einem Tag voller Kevins nachts wach im Bett und stellst sie dir vor, wie sie ohne Kopf aussehen. Mir ist dabei aber folgende kreative Idee gekommen, die ich dir hier verrate. Weil, du hast sie dir verdient:

Wenn du selber Auto fährst, passiert es ab und zu, dass dir ein Kevin von hinten zu dicht auffährt, nachts blendet oder grundlos drängelt. Dann aktiviere einfach die Scheibenwaschanlage. Achte darauf, dass du vorher billiges Nuttenparfüm einfüllst. Verfeinert mit einem kräftigen Schuß Johnnie Walker Red Label. Das mag Kevin überhaupt nicht.

[Sämtliche Figuren, deren Namen und Geschichten in diesem Beitrag sind frei erfunden.]