1997, 18:30 Uhr abends nahm ich in meiner Kneipe in Belzig den Hörer vom Festnetztelefon, drückte auf „Lautsprecher“, wählte erst die südafrikanische Auskunft und dann den Regierungssitz in Pretoria. Eine nette Dame am anderen Ende des Planeten fragte auf Englisch, wie sie mir helfen könnte. Ich sagte, dass sie lieb ist und ich sie jetzt schon leiden kann.
Die Dame lachte und antwortete, dass ich auch nett sei, sie sich über meinen Anruf freut und fragte, was sie für mich tun kann. Ich bat sie, mich schnell mal mit Präsident Nelson Mandela zu verbinden, nur für eine Minute.
Gern, ich sollte einen Moment warten und bitte dran bleiben. Dann kam 5 Minuten lang afrikanische Wartemusik… aber kein Mandela, denn der hatte angeblich gerade das Büro verlassen und Feierabend. Toll, dachte ich mir. Noch so einer, der nur an den Feierabend denkt. Gut, es war bereits Halb Sieben. [Südafrika ist in der selben Zeitzone wie D-Land.]
Was hätte ich mit Nelson Mandela besprechen können?
Ehrlich gesagt, nichts wichtiges. Pillepalle. Ich hätte ihm die Wahrheit gesagt und nur den Grund meines Anrufes genannt.
Um meine Gäste, englischsprachige Bauarbeiter, zu unterhalten, betrieb ich manchmal Telefonscherze und stellte dabei auf laut. Das Festnetztelefon war über einen extra Verstärker an die Stereoanlage angeschlossen, so das jeder die Telefonate mithören konnte, wenn ich das wollte. Nicht mehr und nicht weniger hätte ich ihm gesagt. Und vielleicht noch, dass wir am gleichen Tag Geburtstag hätten.
Dasselbe versuchte ich beispielsweise noch mit der neuseeländischen Anwärterin als Premierministerin, die sich gerade im Wahlkampf befand. Und wiederum bei weiteren australischen Politikern. Alles erfolglos. Die Telefonnummern bekam ich teilweise von meinen Gästen, die von dort her kamen.
Mit der Queen hätte ich es auch gern mal versucht, aber Abends wäre das wirklich aussichtslos. Meine Telefonrechnung war trotzdem schon ziemlich hoch. Aber die Gäste haben gesoffen und gegessen, meine Fresse. Und dann meist nur das teure Zeug. Da telefoniere ich gern mit Politikern, die mich nicht sprechen wollen.
Aber nur anzurufen ist nichts für richtige Männer. Und einen Mann wollte ich zur Abwechslung mal persönlich gegenüber stehen. Nicht irgend einen. Natürlich ohne mich vorher anzumelden. Ich wollte Chuck Norris erwischen, selber, persönlich, und nahm mir 1998 dafür etwas Zeit und eine Maschine nach Texas.
Erst mal eine Rauchen
Meine oben erwähnte Kneipe in Deutschland hatte ich zu dem Zeitpunkt schon verkauft. So war ich frei und konnte mich anderen Dingen, also Kneipen, widmen.
Auch wenn es sich hier so liest, ich bin nicht extra wegen Chuck Norris nach Dallas, TX geflogen. Ich hatte andere Gründe. Aber wenn ich nun schon mal da war…
Damals hatte ich noch kein Internet. Meine Informationen bekam ich relativ einfach und schnell. So könnte ich ja jederzeit recht unkompliziert [manche nennen das naiv] in die damalige Lone Wolf Cigar Lounge hinein spazieren und fragen ob Chuck da ist. Und wenn es nicht klappt, kein Problem, dann probiere ich es halt nochmal. Ich hatte ja Zeit. Gesagt, getan.

Die Lone Wolf Cigar Lounge (ich glaube es gab noch eine in L.A.) gehörte zu dem Zeitpunkt noch Chuck Norris und Jim Belushi. Das Geschäft samt Tabakhandel haben sie dann so um die Jahrtausendwende verkauft.
Als ich das erste Mal den Laden betrat, war wenig Betrieb, so konnte ich mich in Ruhe mit dem Bartender unterhalten, der nur meinte, um Chuck zu treffen habe ich mir leider den falschen Zeitpunkt ausgesucht. Ein Satz wie eine Drohung.
Das Problem ist, dass Chuck Norris zu dem Zeitpunkt mit der Familie nach Nagano, Japan in den Urlaub geflogen war. Der wollte sich dort die komplette Winterolympiade ansehen und käme erst zurück, wenn die vorbei wäre. Kein Witz!
Die hatten in Nagano doch sicher Parallelveranstaltungen, die sich zeitlich überlagerten?! Aus heutiger Sicht klingt das fast wie einer dieser Chuck Norris-Witze. Aber das war die ernst gemeinte Aussage des Mannes hinter der Bar. Schade, Chuck konnte ich nicht greifen. Aber ich habe viel erfahren und mich lange und gut mit dem Mann an der Bar unterhalten.
Ich erfuhr zum Beispiel, dass Norris, neben den Zigarren in jenen Laden, auch sogenannte Lodges betreibt, also Hotel-ähnliche Einrichtungen, teilweise mit Glücksspiellizenz. Die Schauspielerei war für ihn nur noch Nebenerwerb.
Aber was interessierte mich zu diesem Zeitpunkt, spät am Abend noch Chuck Norris. Der Mann hinter der Bar war das eigentliche Highlight. Nicht berühmt, aber angenehm und unterhaltsam. Er konnte gute Geschichten erzählen, vielleicht besser als so manch Prominenter. Ich fand es gut [und kam daher am nächsten Tag noch einmal auf ’ne Zigarre].
Der Barmann sagte noch, Eric Norris, Chuck’s Sohn, wäre in Dallas und wollte angeblich noch vorbei kommen. Ich könnte ja mit ihm eine Zigarre rauchen. Auf den wollte ich nicht warten, der Mann gab mir nach ein paar Drinks die Visitenkarte vom Laden und fragte, ob er meine Nummer haben kann, falls Chuck Norris zurück kommt. Ich sagte, das wäre nicht nötig und ich hätte sie eh nicht im Kopf, eine Karte hatte ich nicht. (Ich glaube, der fragte nur aus Höflichkeit.)
…denn wer will schon, dass Chuck Norris seine Privatnummer hat. Und irgendwann, wenn man es nicht erwartet, anruft. [Danach sind hier in Bad Belzig wohl alle Leitungen tot und parallel entsteht ein riesiges Funkloch.]
Als ich in der selben Nacht noch in eine andere Bar ging um einen letzten Drink zu nehmen, sah ich, wie dort die Band gerade abbaute. Da sagte mir jemand stolz wie Oskar, dass Kevin Bacon zusammen mit seinem Bruder gerade hier gesungen und sich bei jedem Gast zum Abschied persönlich per Handschlag mit ein paar netten Worten bedankt hat.
Ich sagte, dass ich in einer anderen Bar auch ein interessantes Gespräch mit jemanden hatte und eine sehr teure Zigarre spendiert bekam. In welch einer Bar passiert einem schon so was? So ein Abend ist einmalig und gute Gespräche selten.
Und wenn ich Kevin Bacon sehen will, dann kaufe ich mir eine Blu-ray. Und Chuck Norris? Für den reicht ’ne DVD.