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Prostitution ist zu glauben, Dinge, die man hasst gegen Bezahlung zu tun, weil man keine andere Wahl hat.

Einige Leute, die nicht nur die Sonnenseiten des Lebens genießen oder genossen haben, würden mir da zustimmen. Vorerst.

Aber: Das mit dem „weil man keine andere Wahl hat“ ist eher eine Ansichts- oder Aussichtssache.

Je nach dem, wie viel Sichtweisen, Ansichten oder Blickwinkel du auf eine Situation oder Sachlage oder Panne hast, soviel Aussichten hast du letztendlich.

Und aussichtslos ist es nur für den, der gar nichts von dem sieht (oder sehen will).

Du weißt ja, man hat immer eine Wahl.

 

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Bekannte, etablierte Leute in kreativen Berufen erzählen gern von ihren Prostitutionsphasen, die natürlich längst vorbei sind. Damit meinen die ihre Anfangsjahre, wo sie sich noch nicht den Namen gemacht haben, den sie heute haben.

Ein Designer beispielsweise nimmt anstatt tolle Produkte zu designen dann eben Aufträge oder Jobs an, wo er ermüdende oder monotone Drecksarbeiten durchführt, die sonst keiner (der etabliert ist) machen würde. Warum?

Er bekommt nichts anderes, kein anderen Job, kein tolleres Projekt. Und er selber ist ja noch lange nicht so berühmt, dass er sich die Aufträge aussuchen kann. Denkt er, weil er nun mal denkt, keine andere Wahl zu haben.

Fakt ist, die Leute hätten schon eine Wahl. Sie wählen nur nicht gern.

Daher weichen sie genauso ungern vom einmal gewähltem ab. Denn dann müssten sie ja wieder wählen. Und jede Wahl birgt Unsicherheit. Allein schon wieder wählen zu müssen, heißt, sich wieder quälen zu müssen. Deshalb ist Angela Merkel auch so beliebt.

Die kreativen Leute trauen sich nicht zu, einfach mal auf einen anderen Zug aufzuspringen. Nicht als Prostitution, sondern als Alternative zum „Design“ oder was auch immer. Selbst wenn der Zug (auf lange Sicht) in die richtige Richtung fährt. Sie beharren auf ihre einzige Linie wie die Titanic, obwohl der Eisberg schon in Sichtweite ist.

Dabei muss der ‚Zug‘ nicht einmal in die richtige Richtung fahren. Er muss nur fahren. Und der Kreative Mensch muss dann und wann springen. Gemütlich machen kann er sich es nicht. Die Zeiten sind vorbei, seitdem das Internet mehr Wert transportiert als die Eisenbahn.

In der Praxis ist die direkte Herangehensweise nicht immer die beste. Weil sie zu kurzfristig ist. Das ist wie als wenn man trockenen Kaffeeweißer sofort einrühren will. Der verklumpt nur. Besser man lässt ihn ’sinken‘. Dann kurz umrühren.

Der Designer (Oder Musiker, Maler, Regisseur, Schauspieler, Entrepreneur) denkt: „Ich will den Erfolg so schnell wie möglich, je früher desto besser, also gleich.“

Oder a-la Pille: „Ich bin Designer und kein Kloputzer.“/“…Unternehmer und kein Sklave.“/“…Arzt und kein Maurer.“

Oder: „Ich muss den Fuß in die Branche kriegen, egal wie, und wenn ich mit Merkel ins Bett steigen muss.“

Oder mein Liebling: „Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.“

(Doch, weiß er. Er weiß nur nicht, dass er es weiß.)

Ja, es gibt auf der einen Seite den talentierten Auto-Mechaniker, der bei ATU Öl, Auspuff und Reifen im Akkord wechseln muss, um über die runden zu kommen. Und auf der anderen Seite gibt es diese namhafte Tuning-Firma oder jenen Profi-Rennstall, die genau so jemanden händeringend suchen. — Ihn aber nicht (wahrscheinlich nie) finden.

Dieser KFZ-Schrauber prostitutiert sich, indem er sein Talent verschwendet anstatt es zu nutzen. In einer Billig-Autowerkstattkette wird sich niemand für seine Fähigkeiten, Fahrzeuge zu veredeln interessieren. Daher…:

 

Quälen wir uns lieber einen Tag (oder zwei) mit der Wahl

Auch ein noch so brillanter Designer hat mehr Talente als immer nur Produkte zu designen. Ein Musiker ist nicht nur musikalisch veranlagt. Ein Fußballer sollte auch ohne einen Fußball mehrere Jahre überleben können. Und ein Schlosser kann auch mehr als nur an Autos oder Bikes zu schrauben.

Kurz, jeder hat mehrere Interessen, wovon er sich auf eines konzentriert. Eines nach dem anderen. Aber zuerst das, was funktioniert und zum Ziel führt. Und zum Ziel führen auch Hintertürchen, Umwege oder die Geisterbahn. Egal, wichtig ist die persönliche Art. Aber, darauf hoffen, entdeckt zu werden ist unpersönlich und anonym. Und wer anonym ist wird nicht entdeckt. Der bleibt was er ist, unpersönlich und anonym.

Prostituton ist immer unpersönlich. Aber persönliche Transaktionen, Interesse oder Geschäfte bringen uns näher als es jede Art der Prostitution je könnte. Jede gute Beziehung funktioniert nun mal persönlich. Wie sonst?

 

Zurück in die Werkstatt

Der Fall mit unserem Schlosser ist real, ich kenne ihn. Er fing an, Gemüse anzubauen, dass er auf dem Markt verkaufte. Er wurde umheimlich stolz auf seine Radieschen. (Wer ist schon stolz auf Prostitution?) Der Grund war, dass er auf Bio-Lebensmittel aus eigenem Garten steht.

Er beobachtete so ganz nebenbei die Situation bei den Autohäusern und erfuhr, wo die Kunden aus welchem Grund besonders lange warten mussten. Dort ging er hin und bot an, Nachmittags auszuhelfen, damit die Kunden ihre Autos schneller repariert bekamen. Einen Monat auf Probe ohne Bezahlung.

Inzwischen ist es zwei Jahre her. Jetzt wird er gut bezahlt, ist die Nummer Eins nach dem Chef und kann sich nichts anderes mehr vorstellen. Er entscheidet über Neueinstellungen, arbeitet jetzt auch nachts und am Wochenende. Nicht weil er muss, sondern weil er will. Ja, die haben mehr Kunden bekommen. Aber nicht nur das.

Er kann dort Oldtimer restaurieren und Rennwagen aufbauen — in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, weil ihn der Inhaber seine Werkstatt und seine Beziehungen zur Verfügung stellt. Dieser erkannte dessen Talent (und kann die Schmuckstücke als Eyecatcher natürlich eine Zeit lang in den Showroom stellen).

Aus der Werkstatt wurde eine Wertstatt.

Beide vertrauen sich. Inhaber und Beschäftigter. Eine Vater-Sohn-Beziehung kann nicht besser laufen. Der Schlosser hat seinen persönlichen Weg gefunden, anstatt unpersönlich entdeckt zu werden.

Aber das eigentlich lustige an der Story ist, unser Schlosser hatte nie eine Ausbildung als solcher. Auch nicht als Gärtner. Trotzdem verkaufen sich seine Radieschen dieses Jahr besonders gut. Obwohl er sie nicht mehr selbst verkauft.

[Das Porky’s Nite Spot auf dem Bild oben ist ein Laden in „Sin City“ (Sydney), den ich von 1994 und 1995 selber besucht habe. Dort fühlte ich mich wie zu hause. — Falls du mal irgendwann – auch wenn nur aus Neugierde – dort aufschlagen solltest, bitte sei nett und behandle die Damen und die Angestellten dort gut.]