
Wenn du Charakter finden willst, dann musst du in unserer heutigen Welt lange suchen. Darin ist eigentlich alles wissenschaftlich erklärt und mit Fakten und Messwerten unterlegt. Das reicht den meisten. Die Meisten sind aber die diejenigen, die keinen Charakter haben.
Der Begriff Charakter bedeutet gemeinhin Merkmal, Prägung, Eigenheit und Unterscheidung. Und Charakter bedeutet für mich auch Magie.
Richtiger Charakter ist mehr als eine Formel.
Nur so viel: Menschen können Charakter haben, sowie Persönlichkeit. Tiere aber auch. Dinge können Charakter haben, aber keine Persönlichkeit, können aber von Persönlichkeiten (Menschen) gemacht und erkannt werden. — So, der nächste Absatz wird wieder lesbar.
Charakter kann sowohl stören als auch geil machen
Es kommt schon darauf an, wer mit wem oder mit was in Berührung kommt. Aber trotzdem habe ich den Eindruck, das es Menschen gibt, denen Charakter generell wichtiger ist als anderen. Und anderen stört er wiederum.
Deshalb hat ein starker Charakter – vor allem der von Menschen – für viele immer auch was provozierendes. Da gibt es jene, die sich von Ecken und Kanten gestört fühlen. Schlimmer noch. Diese ‚Vielen‘ sind jene, die echte Charaktere unterbinden, unterordnen und (ihrem Weltbild, den gesellschaftlichen Normen) anpassen wollen…
…und ob sie es schaffen ist eine andere Frage.
Ein Charakter ist Selbstzweck
Landschaften, Gerüche, ein Gitarrenspiel, selbst Maschinen können – für denjenigen, der es erkennt – Charakter haben.
Willst du mit einem Mercedes bequem und standesgemäß von A nach B kommen? Oder mit einem Motorrad als erster ankommen? Oder ist dir beides egal? Wenn dir alles egal ist, dann fährst du überhaupt nicht oder nimmst den Bus.
Ist dir eine Sache aber wichtig, dann fährst du beispielsweise auch bei Dreckswetter oder einer Bullenplage dein bollerndes 350-Kilo Maschinengewehr auf 2 Rädern. — Nicht extrem schnell, aber mit Charakter.
Will ich mit einem 18er Macallan angeben, der mir Selbstwert gibt und geschmacklich keine Probleme macht? Oder will ich in Ruhe einen nicht billigen, aber fair bepreisten 12er Springbank erleben, der zwar ordentlich nach bösestem Kloreiniger riecht, aber beim Trinken einen multiplen Oralorgasmus verursacht, der pro Schluck 36 Minuten andauert?
Will ich falsch sein? Oder will ich richtig leben?
Will ich Dinge ausblenden? Oder will ich was merken?
Will ich die Klappe halten? Oder will ich eine Ansage machen?
Was du tust, dass sollte schon einen Eindruck hinterlassen
Bring – bildlich gesprochen – den Gummi auf den Asphalt. Und dann gib Galle.

Es gibt Menschen, die man anhand ihres Gesichtes oder ihrer Körpersprache sofort erkennt. Bei Frauen (ich bin ein Mann) ist es so, dass diese Models (die mit den Idealmaßen) auf mich genauso attraktiv wirken wie ein Besen für Sieben-Fuffzig aus dem Baumarkt. Nämlich gar nicht. Aber für schwule Modeschöpfer haben die wohl Charakter.
Charakter mit all seinen Eigenheiten ist bei Menschen komplex. Ich kann eine Person sehen und innerhalb von Sekunden einschätzen, ob man ihr vertrauen kann oder ob ich einen (männlichen/weiblichen) Idioten vor mir habe.
Die Augen, der Blick, das Gesicht, der Stil (Frisur, Kleidung, Haltung), die Stimme und Wortwahl und mein Bauchgefühl. Keine Formel, sondern mein Gefühl sagt mir, wer vor mir (oder neben) mir steht.
Ob du mit einer Person wirklich klar kommst, das merkst du frühestens bei der zweiten Begegnung. Und an deiner Beobachtung, wie sie mit anderen umspringt.
So ist es bei Menschen.
Die Charakteristik der Dinge
Bei Dingen ist es nicht so viel anders. Auch die haben eine – ich will nicht sagen Aura – aber eine gewisse Symbolik.
Manche Dinge transportieren den Spirit ihrer Macher. Mit Spirit meine ich nicht nur Whisky, obwohl dieses Beispiel passend wäre. Sondern, deren Geschmack beziehungsweise deren Absicht. Das ist die Absicht, was er mir mit seinem Werk anderen sagen oder mitteilen will. Beispielsweise eine Botschaft oder ein überraschendes Aha-Erlebnis, womit ich nie gerechnet hätte.
Heutzutage haben einige Unternehmen erkannt, dass mit Charakter Geld verdienen kann. Schön und gut.
Das Problem ist aber, dass nun spezielle Produkte einen bestimmten Charakter haben sollen. Diesen aber nicht bekommen. Viele Resultate haben nicht den erhofften Charakter — aus Sicht der Kunden. Warum? Weil die Leute, die dafür verantwortlich sind, selber keinen haben, diesen nur kopieren oder geschmacklich völlig anders liegen.
Kurz: Wer mit Charakter Geld verdienen will, der hat keinen oder geht nach Hollywood. Am besten passt beides.
Ein paar Fragen, die helfen zu verstehen:
Wieso sind ausgerechnet sind die meisten Chopper Harley-Umbauten oder -Klone? — Weil die Amis den besten Fahrzeugbau haben?
Wieso sind ausgerechnet irische Pubs die populärsten Kneipen der Welt? — Weil es in anderen Kneipen nichts zu saufen gibt?
Wieso wird ausgerechnet starker aromatischer Whisky pur und handwarm getrunken? — Weil der Trinker eh nichts mehr merkt?
Wieso wirkt ausgerechnet der alte Chinese so weise? — Weil im Rest der Welt alle Deppen sind?
Wieso sind Italiener die besten Gastronomen und Mafiosi? — Weil sie Zoff mit den Iren wollen?
Wieso ist ausgerechnet die Schauspielerin Tilda Swinton ein Kultstar? — Weil sie ein missglückter Klonversuch von David Bowie war, um ewig zu leben?
Charakter ist nicht nur ein Auspuffklang, eine Geschmacksnote oder eine typische Eigenheit. Charakter ist mehr als der Arsch deiner Braut oder das Gesicht von Opa Willie.
Echter Charakter ist komplex und daher nicht einfach erklärbar. Er ist mysteriös, einzigartig und unkopierbar. Er sorgt dafür, dass man dich oder deine Handschrift noch nach Jahrzehnten wieder erkennt. In unserer von Leistungswettbewerb, Fakten und Features dominierten Gesellschaft ist Charakter das einzige, was darüber steht.
Charakter ist dein Markenzeichen schlechthin.
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