Die Faszination des Gefährlichen

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Spaß ist Lebensfreude. Aber alles, was Spaß macht, das ist auch gefährlich. Spaß ist oft teuer, zeitraubend, ungesund und potentiell tödlich. Spaß bringt Ärger und schafft Feinde. Zudem besteht permanente Suchtgefahr. Muss das so sein?

Ja. Es ist der Spaß, der uns den Spaß verdirbt. Und das ist völlig normal, es muss so sein.

 

Jemand, der Regeln aufstellt, versteht keinen Spaß

Ist dir nicht auch schon aufgefallen, dass die spaßigsten Dinge im Leben am meisten reguliert werden? Man selbst reguliert seinen Spaß beispielsweise schon durch das eigene begrenzte Budget, mangelnder Zeit, körperlicher Limits, mangelndes Vertrauen, lähmender Angst und so weiter.

Und wir bekommen ganze Bibliotheken voller Regeln von außen.

Äußere Spaßverderber sind die (selten sicherheitsrelevanten) Vorschriften im Straßenverkehr, Lebens- und Genußmittel oder der allgegenwärtige Zwang zur politischen Korrektheit. — All das ist streng reguliert, kontrolliert oder zensiert.

Ist die Gefahr nun gebannt, wenn der Spaß erst einmal weg ist? Das denken Behörden und böse Ehefrauen.

Spaß weg zu regulieren, um Gefahren zu bannen ist wie die Prohibition einzuführen, um Alkoholmissbrauch und Kriminalität zu senken. Was dabei heraus kommt? Frag Al Capone.

Wenn der Spaß genommen wurde, bleibt die Gefahr bestehen, sie nimmt nur heftigere Formen an und kommt meist hinten rum. Denn:

 

Aus der Spaß-Falle gibt es kein Entkommen

Warum?

Allein unsere innere Natur sorgt schon dafür, dass es immer schön gefährlich bleibt. Menschen (Männer direkt, Frauen indirekt über Männer) schauen danach, was ihnen Spaß macht. Ob sie es tun, ist eine ganz andere Sache, weil Zwänge und Regeln diktieren, was zu tun ist.

Das sind die normalen, täglichen Dinge, wie sich halbwegs um die Kinder zu kümmern, zur Arbeit zu fahren und abends noch die Oma im Knast zu besuchen. Alltägliches, dass einen nervt und vom eigentlichen Spaß abhält. So jemand klagt dann, dass er „kein richtiges Leben mehr hat“. – Weil es stimmt.

Durch diesen Spaßmangel entsteht eine Leere, die wie ein Vakuum in einem instabilen Behälter wirkt: Es kommt zur Implosion. Das heißt, der Spaß setzt sich schlagartig durch. Der zu kurz gekommene rastet aus und reagiert sich in Sekunden ab. (Jeder Autofahrer kennt das.) Und alle möglichen Gefahren kommen auf einem Schlag.

 

Dann lieber mit Absicht rein in die Gefahr

Anstatt sowohl der Gefahr als auch der Ödnis nur entkommen zu wollen, gibt es als echte alternative die Flucht nach vorn.

Es gibt immer die Möglichkeit, den Weg hinein in die Gefahr zu wählen um ihn dann konsequent zu (Ende zu) gehen. Also wenn schon Gefahr droht, dann bitte richtig. Richtig spaßig.

Also dann nichts wie her mit Action-, Mafia- und Gangsterfilmen? Her mit den Zockerkram, den Games of Extermination? Her mit dem Nervenkitzel aus sicherer Distanz?

Gerne, dann aber bitte einkalkulieren, dass all dies die realen Gefahren nicht bannt, sondern höchstens anfüttert, da bei Übermaß zunehmende Realitätsferne droht. Das heißt, wir müssen mit beiden Beinen im Leben stehen. Und wir müssen es mit echten Menschen zu tun haben. Face to Face. Genau das ist die Herausforderung, um die es hier geht.

 

Gefahr erschafft Helden. Das macht sie so attraktiv für PR Und Werbung.

Die Gefahr als Selbstzweck ist das beste natürliche Gegengewicht zur eigentlichen Gefahr. Gefahr wird so zum produktiven (intelligenten, nützlichen) Spaß. Richtige Gefahren sind meist versteckt und wenig offensichtlich und daher schwerer zu kontrollieren oder zu beherrschen. Wird sie deutlich erkennbar und leicht einzuschätzen, kann sie beherrscht, kontrolliert und damit instrumentalisiert werden.

Die Aussicht auf Heldentum wirkt unwiderstehlich, wenn dieses mehr als ’nur Gefahr‘ bringt. Gefahr muss bunt, deutlich sichtbar und verführerisch sein, indem sie gut riecht, schmeckt und klingt. Und vor allem betörend aussieht. Betörend heißt hier offensichtlich, als deutlich erkennbar gefährlich.

Das gelingt, indem die Gefahr etwas einladenes und aufwertendes hat. Wie? Indem sie sagt: „Hey, ich bin deine Herausforderung. Und wenn du mich annimmst, dann spielst du bei den großen Jungs mit! Aber hab‘ keine Angst, denn hier ist der grüne Knopf. Wenn du den drückst, dann bin ich ganz lieb, super sicher und dein Geld wert.“

Das ist der Nutzen, also ein Wert. Der Mehrwert, eines Streetfighters (das muscle car unter den Motorrädern) ist nicht der, möglichst schnell von A nach B zu heizen. (Obwohl es den Schein erweckt.) Sondern der des Angstmachers. Als Mann dazustehen, der keine Angst hat, ist hier der Helden-Faktor. Er ist derjenige, der das wilde Ding so routiniert-athletisch herre wird wie Chuck Norris eine gewöhnliche Kneipenschlägerei.

KTM beherrscht diese Masche perfekt. Deren ‚Super Duke‘ ist der Hooligan, der Schläger unter den Mopeds. Duke heißt – auf der Straße – Faust. Und der Fahrer ist jetzt wie Chuck Norris, der keine Angst vor der Faust hat und das ruppig-muskulöse Ding per Menü-Anwahl gefügig oder zu seiner Faust macht. Oder mit abgeschalteter Elektronik damit tanzt:

Derjenige, der hier den Spaß hat, ist lustigerweise nicht nur der Fahrer/Freestyler. Es sind tatsächlich auch all die Leute, die an der Entwicklung und Herstellung beteiligt sind. Das heißt, der Hersteller trägt den Wert seiner Produkte, also die Geilheit, auf ein höheres Level. Der Spaß an sich bleibt gefährlich, aber man macht was daraus. Mehr Wert, für alle.

Der Designer darf designen, die Tester dürfen rumrüpeln, die Ingenieure dürfen tüfteln. Anders ausgedrückt, das Gefühl von Geilheit bei den Kunden ist genau der Faktor, der es talentierten Leuten erlaubt, überhaupt ihren Talenten nachgehen zu dürfen und das Beste zu geben. Das beste, was die drauf haben. Und das ist viel. Viel mehr als nur Gefahr.

Heißt das jetzt, der Kunde finanziert den Lebenstil seines Lieferanten und das Wohlergehen von dessen Belegschaft?

Nein, der Käufer finanziert seinen eigenen Lebensstil, sein Image (Selbstbild) und gleichzeitig den Bestand der Firma. Alles andere würde nicht funktionieren. Jedenfalls würde er nicht so ein Produkt bekommen. Vielleicht ein gutes, aber nicht diesen österreichischen Kampftrecker auf 2 Rädern. — Das macht den Unterschied. Spaß ist genau wie die Gefahr immer ultimativ. Sonst kann man es sein lassen, sonst lohnt es nicht den Aufwand, sonst bezahlt keiner dafür.

Anderes, aber durchaus ähnliches Beispiel: Extremsportarten werden nur von zwei Sorten Menschen ausgeführt. Die einen verdienen Geld daran. Die anderen machen Extremsport, um einen Ausgleich zum langweiligen Job zu bekommen.

Dieser Ausgleich ist wichtig. Genauso wichtig wie der Wirtschaftszweig ‚Extremsportarten‘, der ein Ausgleich zwischen Job-Alltag und Gefühlen, und zwischen Kunde und Lieferant ist. Gäbe es keinen Ausgleich, wäre die Gefahr trotzdem da, allerdings ohne den Spaß.

 

Spaß ist so vernünftig, wie Gefahr unvermeidlich ist

Spaß ist dann am nützlichsten, am „vernünftigsten“ und am rationalsten, wenn man ihn ganz bewusst herbei führt und dabei mehr als nur sich selbst als einzige teilhabende Person mit einbezieht. Erst dann wird er faszinierend. Weil der Spaß an der Freude ja geteilt wird.

Diese Faszination ist das, was wir eigentlich suchen. Dann darf es ruhig auch mal ‚gefährlich‘ werden. Die Gefahr ist nun Währung und Thrill zugleich. Die Gefahr ist ein Preis, den wir zahlen. Sie gibt der Sache einen Wert.

Wir können die Gefahr in unserem Leben nicht vermeiden. Wir können ihr aber einen Ausgleich in Form von Faszination und damit einen Sinn geben. Aber ohne Gefahr läuft nichts.

Gefahr ist der faszinierendste Teil des Lebens, an ihr merkt man, dass man lebt. Gefahr kann man nicht einfach weg regulieren, wie einige das glauben. Zu viel Gefahr ist tödlich. Zu viel Leben (Rasen, Saufen, Sexen) ist tödlich. Leben ist faszinierend und daher gefährlich, denn es endet tödlich. Aber ohne Gefahr langweilen oder regulieren wir uns zu Tode. Und das ist das gefährlichste überhaupt.


Anmerkung zum Beitragsbild: Das Motorrad oben auf dem Foto ist eine für Wettbewerbszwecke gebaute Harley-Davidson XR-750 „Dirt Tracker“ aus den frühen 1970ern, dessen Motor wiederum grob auf dem der Sporty aus den frühen 1950ern basierte. Es war das Lieblings-Sprungeisen von Evel Knievel.