Geklautes musst du weiterentwickeln

Bloßes klauen allein nicht reicht. Nachdem du geklaut hast, geht die Arbeit erst richtig los. Jeder, der ein Motorrad geklaut hat, weiß, dass es dauert, bis die neue Rahmennummer drin ist. Nein. Spaß beiseite. Es geht hier um Inspiration und wie man daraus etwas spannendes entwickeln kann.
Eigentlich braucht sich gar keiner einbilden, dass er der erste und einzige wäre, dem die Ehre gebührt, etwas geschaffen zu haben, was würdig genug erscheint geklaut zu werden. Und wieso? Es war alles schon einmal da. Aber nicht für die Leute, für die du es jetzt klaust. Für die ist es neu. Und nur für die.
Ein bisschen Hollywood
Jeder, der sich für Filme interessiert, kennt diesen Effekt, in dem er sich manchmal sagt: „Das kommt mir bekannt vor…. Das habe so ähnlich auch schon im Film … gesehen.“ Oder noch banaler: „Obwohl ich den Film das erste Mal sehe, weiß ich genau, was jetzt kommt… und siehe da!“
Ich glaube, die besten Déjà-vus haben wir beim Filme gucken. Merkwürdigerweise auch und vor allem bei neuen Filmen. Das kommt daher, dass Hollywood nicht unbedingt bekannt für seinen Mut zu originellen Ideen ist. Die nehmen halt, was sich bewährt hat, was der Studio-Boss irgendwie kennt (und deshalb sehen will).
Allerdings gibt es Filme, wo dies trotz allem in sehenswerter, dramaturgisch interessanter und vor allem auf neue Art gemacht wurde. Da kann man nicht mehr so einfach von ‚klauen‘ reden. Sondern von einer Weiterentwicklung von Genre-typischen Stilmitteln. Beispiel:
In The Shining lässt Regisseur Stanley Kubrick den Hotelkoch (Scatman Crothers) zur Mutter (Shelley Duvall) eines kleinen Jungen (Danny Lloyd) reden. Der Koch spricht in der Sequenz ununterbrochen zur Mutter. Während er ihr natürlich in die Augen sieht. Er erklärt der Mutter technische und organisatorische Abläufe des Hotels.
Aber aus Sicht des kleinen Jungen wendet sich der Koch während des Gespräches und während er noch zur Mutter spricht, also parallel kurz lächelnd zum Jungen und fragt, ob er ‚ein Eis‘ essen will. Kubricks erwünschte Wirkung war „Unheimlich“.
Die geklaute, aber weiterentwickelte Variante dieser Szene als Stilmittel gab es in The Devil’s Advocate von Regisseur Taylor Hackford.
Die Anwaltsehefrau Mary Ann (Charlize Theron), neu in NYC, geht mit zwei Ehefrauen (Debra Monk, Tamara Tunie) von Kanzlei-Partnern zum Shopping in eine Boutique. Sie probieren Kleider an, freuen sich wie toll sie damit aussehen. Der Verkäufer steht daneben, der Laden ist voll. Während dessen, also während der Begutachtung (oder Anprobe) der Fummel erfolgt nur aus der Sicht von Mary Ann eine nur Sekunden währende Verwandlung der beiden anderen Ehefrauen (per Morphing) in Dämonenfratzen, untermalt mit grunzenden Geräuschen. Der Effekt ist der selbe wie in The Shining, aber weiterentwickelt und daher „neu“. Neu für den Zuschauer dieses Films.
Ich mach das jetzt auch mal
Diesen Effekt des Unheimlichen kann man vereinzelt auch mit geschriebenen Worten, also auch fürs Bloggen benutzen.
Allerdings ist es schwierig und es wird auf seine Art wieder anders ausgeführt. Ich versuche das jetzt mit nur einem einzigen Absatz, den ich mal stilecht in Blutrot schreibe (Erklärung und eine kleine Entschuldigung, falls es daneben geht folgt):
Während du das hier liest, überlegst du dir vielleicht, wie du dies auf deine Weise anwenden könntest. Dann ist es nicht unheimlich, sondern unheimlich praktisch. Da ich aber weiß, dass du schon öfters nach diesem Beitrag hier gesucht hast und ich jedes Mal enttäuscht war, dass du nur auf die Zitate-Seite von Onkel Pablo weiter klicken wolltest, interessiert es dich vielleicht doch noch, was ich hier schreibe. Lies ruhig weiter:
Die Erklärung: Du fühlst dich gar nicht angesprochen, weil du entgegen meiner Behauptung oben nichts von dem je getan oder auch nur gedacht hast. Es ist unwahr. Somit kommt der obige Absatz bei dir wie eine falsche Beschuldigung an. Du denkst bestimmt: „Was erlaubt sich dieser Finsterwalder!?“ oder besser: „Was schreibt der da??“ Oder schlimmer: „Aus! Diesen Scheiß-Blog lese ich nie wieder!“ — Und ich bitte dich um Entschuldigung. Aber das Drama funktioniert…
…falls sich doch jemand angesprochen fühlt.
Nicht du, aber jemand anderes, ein anderer geschätzter Leser. Der Grund ist, dass der genannte Beitrag „Wie man richtig klaut“ der am meisten gesuchte Artikel dieses Blogs ist. Und da ich in WordPress sehen kann, was mit welchen Begriffen wie oft gesucht wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das sich eben doch jemand angesprochen fühlt. Und bei denjenigen, auf dem das zutrifft, für den ist es in der Tat unheimlich, den roten Absatz hier plötzlich zu lesen.
Dieser Beitrag ist dir gewidmet. Egal, ob du ein Fan des professionellen Klauens bist oder nicht. Und das war es auch schon mit meinem Ausflug in die Grusel-Ecke.
Denn wer sich gruseln will, der kauft ein Buch von Stephen King. Oder er säuft einen kompletten Monat durch, um danach abrupt nüchtern zu werden. Oder in der Wirkung auf das Angstzentrum im Gehirn effektiver als King und Alkoholentzug zusammen: Eine DVD von Heino kaufen. Und ansehen. Nüchtern.
Was ich sagen wollte, ist, dass alles, was du aufgreifst, Arbeit benötigt. Es braucht deinen Einfluss, deine Persönlichkeit, deinen Spirit. Das Geklaute muss durch deine Umarbeit, dein ‚Tuning‘ zu dein Eigentum werden. Und somit wird es das deiner Leute, die du damit beglücken wirst. Am besten geht es, wenn du dir was suchst, wo du schon siehst (ahnst), dass du es sein wirst, der es am besten weiterentwickeln kann. Dann nimm es und hol raus, was irgendwie rauszuholen ist.
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