
Wie extravagant du lebst, sagt wie frei du auch sonst in deinen Entscheidungen bist. Extravaganz hat nichts mit Konsummentalität zu tun. Genauso wenig wie Zugehörigkeit und Identität mit Konformismus zu tun haben. Oder Geschmack mit Geld.
Extravaganz hat mit Selbstbestimmung und Selbstwert zu tun. Die Entscheidung dafür kommt von dir selbst. Nicht von außen und nicht von Jan Hofer. Und sie ist, je nach Kontrast zur Gesellschaft, ein Statement, eine Ansage oder eine Provokation. Im Idealfall alles gleichzeitig. Es ist Kunst und daher eine erweiterte Aura der eigenen Persönlichkeit.
Überleg doch mal, würdest du dir – abgesehen von praktischen Überlegungen, wie z.B. technischen Daten – freiwillig ein Produkt kaufen, eine Frisur schneiden lassen oder Klamotten besorgen, die du nicht leiden kannst oder häßlich findest?
Würdest du dir als gestandener Rocker auch nur einen Tag lang Hipster-Klamotten anziehen? Oder in deiner freien Zeit tatsächlich so rumlaufen und reden wie Florian Silbereisen? So lange du keine verlorene Wette einlösen musst, lass es.
Würde Harley-Davidson (oder Ducati) mehr oder weniger Maschinen verkaufen, wenn die vollends auf Elektroantrieb umstellen oder die Benzinmotoren ab morgen wie diese Japaner klingen? Niemals. Abgesehen davon, dass du nicht noch anderweitig Japanerinnen reitest, die alles übertönen, würde sich der Soundtrack deines Lebens nicht nur ändern. Er wäre weg.
Würdest du dir freiwillig deine Wohneinrichtung neu so einrichten lassen, dass du danach bei deinen Kumpels um Asyl bitten musst, weil dir auf deinem eigenen Klo vor lauter rosa Schmetterlings-Deko das Scheißen vergeht? Nicht mal für geschenkt. Denn dann würde sich dein Lebensraum, dein Herrschaftsbereich, nicht nur drastisch ändern. Er wäre weg.
Der erste Eindruck
Wenn dir nun deine Extravaganz abhanden kommt, dann fühlst du dich nicht nur unfrei und zur Anpassung gezwungen.
Sondern du läufst auch Gefahr missverstanden zu werden. Extrem ausgedrückt: Jeder, der dich neu begegnet, nimmt dann an, du stehst auf das Etikett von Krombacher und den aromatischen Rauch von getürkten VW-Dieseln und dass du dich darauf freust, deine Haare wie Rainald Becker täglich mit der Motorsense zu mähen. Glaub mir, so erzeugst du ein verfälschtes Bild von dir.
Also, wenn du was zu sagen hast und wenn für dich irgendwas im Leben von Bedeutung ist, dann solltest du die erweiterte Aura deiner Persönlichkeit nicht selbst kastrieren. Im Gegenteil, züchte sie, benutze sie.
Es ist immer ein Hinweis, ein Anzeichen auf deine Selbstkenntnis und deine Echtheit, ob du dich mit Dingen umgibst, die zu dir passen. Dinge, die auf den Normalbürger eben ‚extravagant‘ wirken. Sie zeigen an, ob du es dir erlauben kannst, aus der Reihe zu tanzen und was du dir wert bist.
Der Normbürger hat auch Dinge, allerdings genormte. Ein „Ding“ muss nichts materielles sein, es kann auch eine Attitüde oder eine Macke sein.
Jeder hat Stil. Jeder hat eine Macke. Jeder fühlt sich mit anderen Dingen wohl. Deshalb solltest du dir deine gewisse Extravaganz erlauben
Es kann ein einziges extravagantes Detail in deinem Leben sein. Das fällt dann mehr auf. (Oder unangenehm, wie der Scalp von Rainald Becker.) Oder es kann einfach alles an dir sein. Das wäre dann unmissverständlich. Es geht sowohl als auch.
Außenwirkung als Selbstzweck
Wenn Klamotten nur dazu dienen, warm zu halten, dann würde es reichen, irgendwas zu kaufen oder das zu nehmen, was Mutti einem zum Geburtstag schenkt. Nur wer macht dies freiwillig? Du siehst, Extravaganz ist deine Persönlichkeit und hat nichts mit Geltungssucht zu tun. Jedenfalls nicht bei gesunden Menschen.
Spießer hingegen, die zu Wohlstand gekommen sind, protzen gern mit ihrer finanziellen Potenz. Sie demonstrieren Macht auf plumpe und geschmacklose Art. So jemand will entweder dazu gehören, wo er gar nicht hin gehört. Oder er will von den Falschen anerkannt werden. Oder er will stolz über anderen stehen und damit sein Ego füttern.
So jemand kauft ein Luxusauto obwohl er (tief in sich drin) eigentlich etwas ganz anderes (wahrscheinlich kleineres, preiswerteres mag). Oder er mag überhaupt keine Autos. Kauft aber eins, weil er seiner Ansicht nach so ein scheiß Ding haben muss. Weil man das in gewissen Kreisen eben hat.
Das ist genauso ein verfälschtes Leben, wie das des Konformisten und Spießers, der Angst hat ausgeschlossen zu werden. Das muss er auch gar nicht. Ganz im Gegenteil. Der gehört eingesperrt.
Wie gesagt, deine Extravaganz muss im übertragenden Sinne zu deiner Persönlichkeit passen wie ein alter Hut.
Es ist schlimm, wenn man nur ein geringes Selbstwertgefühl kompensieren oder irgendwas mit Gewalt „nachholen“ will. Die Person und ihr gesamtes Leben ist in dem Falle einfach nicht (mehr) stimmig.
Dein Stil sollte daher deinem aktuellen Status deiner Persönlichkeit entsprechen. Persönlichkeiten entwickeln sich ja weiter. Und somit entwickelt sich auch deine innere und äußere Symbolik samt dem, was du tust, immer weiter. — Denn das, was du tust ist für dich nun mal von Bedeutung.
Was? Du brauchst keine Extravaganz?
Na, dann schau noch mal genauer hin. Und denke jetzt nicht an teuren Luxus oder geflochtene Bärte. Achte einfach auf die subtilen Details, deine Symbole (alles kann ein Symbol sein), auf deine Wortwahl oder Körpersprache. Woran erkennen andere dich? Vielleicht allein daran, wie du schon da stehst? Warum nicht.
Vielleicht erkennt man dich an deinem Fahrstil. Oder an die Art, wie du mit anderen umgehst? All das sind kleine Hinweise auf deine Extravaganz.
Die kleinen Eigenheiten, die jeder so hat, sich aber nur wenige zugestehen, die sind auch das, was von Stars kunstvoll bis zur Extravaganz zelebriert wird. Das Extravagante ist das, was bewundert wird. Nicht umsonst. Und bestimmt nicht so, wie wenn jemand sich anpasst oder sich selbst Dinge verpasst, die einfach nicht passen. So wie der Haarschnitt zu Rainald Becker.
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