Mit dem heutigen Beitrag mute ich dir ein mehr zu als sonst. Er ist lang und launig. Lies einfach so weit, wie du kommst. Oder starte mittendrin.
In den Medien und von Politikern wird in letzter Zeit immer öfter von Parallelgesellschaften gefaselt. Wegen der Flüchtlinge. Und wegen der Konflikte untereinander, die sie mitbringen. Noch. Den Deutschen stehen nun viele neue Einwanderer gegenüber. Dabei sind Parallelgesellschaften nicht die eigentliche Gefahr, sondern ein Paralleluniversum.
Ich bin, im Gegensatz zu allen anderen Deutschen, weder für noch gegen Flüchtligsströme nach Deutschland. Ich trage weder eine rosarote Brille, noch bin ich ein Schwarzmaler. Ich bin ein vorsichtiger Optimist.
Es ist so: Wenn Muttis älter werden, muss man öfters mal auf sie aufpassen. Denn nicht immer treffen sie rational vernünftige Entscheidungen. Und ihren eigenen Willen haben sie sowieso. Trotzdem lieben wir sie. Und wir müssen mit ihren Entscheidungen leben. Denn Muttis kann man sich nicht aussuchen. Sie sind halt da, so wie Merkel.
Aus deutscher Sicht sieht es so aus: Kaum hat Mutti mal die Tür offen gelassen, schon stehen lauter fremde Leute mit Sack und Pack mitten im Hausflur, die den gerade neu gekauften Teppich dreckig latschen, dazu noch frech in den Kühlschrank greifen, dabei die Miene verziehen und dann – sich gegenseitig anrempelnd – laut vor dem Klo anstehen.
Wie in einer Familie regt sich ein Teil wahnsinnig über Muttis Unvernunft auf. Andere sind – ohne darüber nachzudenken – immer auf Muttis Seite.
Eines gleich vorneweg. Man muss verrückt sein, um mit dem Flüchtlingsansturm klar zu kommen. Genauso verrückt, wie diejenige, die die neue Lage erschaffen hat. (Mutti.) Und der Begriff „verrückt“ ist hier jenseits von Gut und Böse.
Rückgängig kann man wohl jetzt kaum noch viel machen. Die Frage ist also, wie geht man nun damit um? Die Situation, wie sie gerade in Deutschland entsteht, habe ich in gereifter Form mal in einer spiegelverkehrten Version erlebt. Vielleicht kann man daraus was lernen.
Am anderen Ende der Welt
Ich war Mitte der Neunziger mal für zwei Wochen in Christchurch, auf der Südinsel von Neuseeland. Und ich wollte einen saufen. So lies ich mich per Taxi in eine Art Trinkhalle fahren, die mir als „100% authentisch“ empfohlen wurde. Als ich hinein ging, war mir schon nach der ersten Sekunde klar, was die meinten und für was die mich hielten: Verrückt.
Es war laut. Der Laden war relativ geräumig, von der Größe her gut vergleichbar mit einer kleinen deutschen Dorfdisco mit schummrigen Licht. Nur schmuddeliger. Darin befanden sich aneinandergereihte Stehtische. Das heißt, es gab zwar einige Sitzmöglichkeiten, aber meist mehr oder weniger lange Tische, an denen die Gäste standen und tranken. Was die Atmosphäre anging, die einzig realistische Darstellung eines solchen Lokals habe ich danach nur in dem Film Once were Warriors gesehen…
Bereits nach einer Minute war mir klar, von wo sich die Filmemacher von Star Trek die Sitten und das Benehmen der Klingonen abgeguckt haben: Von angetrunkenen Maoris, ein altes Kriegervolk polynesischer Abstammung (wie Hawaiianer oder Samoaner).

Ich war also in einem Maori-Pub. Und dort geht freiwillig kein Weißer rein, wie ich später erfuhr. Das ganze befand sich, diplomatisch ausgedrückt, in einer nicht ganz so wohlhabenden Gegend auf „Maori-Territorium“, das von Gangs beherrscht wird.
Da waren Typen drin, die aussahen, wie Dwayne Johnson auf Crack. Und muskelbepackte Frauen. Der Laden war voll von denen. Einige waren im Gesicht tätowiert. Manche fuchtelten mit ihrer Pistole rum. Manche rammten nur ihr Messer in den Tisch. (Richtige Messer!) Auf mich wirkten die wild und animalisch. Und das schlimmste war, ich war noch nüchtern… und noch verrückter, als ich selber glaubte zu sein.
Ich dachte mir, du bist so weit gereist, jetzt bleibst du hier und trinkst zumindest ein Bier. Es gab zwar Bedienungen. Da aber alle Tische und Stehtische voll waren, ging ich direkt zum Tresen und bestellte – sehr achtsam – exakt das selbe komische Billig-Starkbier aus der Literpulle, dass all die Maoris tranken. Ich glaube, es hieß „Lion Brown“ oder so. Und alle tranken nur diese eine Sorte. Hinter dem Tresen arbeitete auch ein Weißer, der trank gewöhnliches Lager-Bier.
Am Tresen selber konnte ich nicht stehen bleiben, denn da war Betrieb. So ging ich langsam durch die Reihen, nahm immer wieder einen kräftigen Schluck aus der Literpulle und ging zu einer Jukebox, die, als ich den Laden gerade betrat, kurz zuvor noch mit Rockmusik lief.
Ich weiß nicht, was mich geritten hatte und so fütterte ich den Automaten, um „Stimmung“ in die Bude zu kriegen. Aber da war nicht viel Musik zur Auswahl, die ich kannte. Schließlich fand ich ein paar Titel von Aerosmith und Mötley Crüe und mein Bauchgefühl sagte, dass passt schon. Und ich drückte auf den Knopf… Kickstart my Heart…
Alles O.K.. Keiner nahm Notiz. Nur konnte ich nicht die ganze Zeit in diesem überfüllten Laden an der Jukebox oder zwischen den Tischen rumstehen. So sah ich, dass an einem der Tische etwas Platz war und fragte, ob ich mich da mit hinstellen könnte. Da sah mir einer der riesigen Maori tief in die glasigen Augen, hob langsam mit seinem zu mir geneigten Kopf eine Augenbraue, fing leicht an zu grinsen und brummte tief und ganz langsam „Sure!“.
Ich hatte daraufhin ein unangenehmes Schweigen erwartet. Aber die Fragen prasselten auf mich ein. Erst recht, nachdem klar war, dass ich aus Deutschland zu Besuch da war. Die waren nicht abweisend, sondern extrem neugierig, wer ich sei und woher ich komme. Lustig (übereinander witzelnd) waren sie obendrein. Und ich war derzeit der einzige Nicht-Maori dort. Und ich war fasziniert von denen. (Und die womöglich von mir.)
Fakt ist, ich habe mich ganz normal mit denen unterhalten. Eigentlich mit allen, die mit am selben Tisch standen. Nach ungefähr einer Stunde kam ein gut gekleideter Maori in den Laden, sah mich und rief laut „Hello Lutz!“. Dann kam er an den Tisch und begrüßte mich und die neben mir persönlich. So, ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, was da gerade bizarres ablief. Vielleicht war ich schon im Delirium. Denn dieser Maori gehörte jedenfalls nicht zu denen, die mir diese Adresse empfohlen hatten. Das waren Weiße. Dennoch kannte er mich mit Namen und die anderen am Tisch.
Er half mir auf die Sprünge, indem er fragte, ob ich mich an ihm erinnere, als ich ein paar Tage zuvor einen Nachtklub besuchte, wo er als Türsteher arbeitete. Ich gab zu, dass ich ihn nicht sofort erkannt habe. Aber dann gab es genug zu erzählen. (Und da half es mir, dass ich, wie die, eine voluminöse Stimme habe und selber nicht gerade der kleinste bin.)
Das ging bis zu einem gewissen Punkt. Denn auf einmal kamen drei Weiße (zwei ältere Herren und eine junge Frau) in den Laden und gingen hinter den Tresen und redeten mit dem anderen Weißen. Die guckten immer auf mich, als ob sie über mich redeten. So war es auch. Dann kam der älteste von den Weißen direkt auf mich zu, und forderte mich höflich aber bestimmt auf, mit ihm mit zu kommen.
Er führte mich in einen Nebenraum, wo noch einige weitere Weiße, unter anderem zwei Polizisten, standen. Dann nahm er mir mein Bier weg und ging zurück zum Tresen. Gerade als ich ihm hinterher rufen wollte, was das soll, sagte der eine Polizist zu mir: „Junge, was ist los mit dir? Bist du lebensmüde? Oder verrückt? ‚Die‘ legen dich ohne zu zögern um. Du kannst froh sein, dass dir keiner von denen an den Kragen gegangen ist!“
Dieser Polizist meinte natürlich die Maoris. Da kam auch schon der alte Weiße wieder. Er gab mir ein frisches helles Lagerbier auf Kosten des Hauses und war überzeugt, das ich das billige Gesöff, was ich zuvor hatte, nicht vertragen würde. Denn „den Dreck saufen nur die Maoris“.
Der alte Weiße stellte sich schließlich als Inhaber des Ladens vor und stellte mir die junge – und durchaus attraktive – Dame, mit der er den Laden betrat, als seine Tochter vor. Dann stellten wir uns alle gegenseitig vor. Dabei kam, wenig überraschend, heraus, dass die sich um meine Sicherheit sorgten. Die Tatsache, dass ich aus Deutschland komme, war denen zu Folge wohl der einzige Grund, warum die Maoris mich nicht zerhackten, roh auffraßen und mit „Lion Brown“ herunter spülten. (Was ich allerdings bis heute bezweifle.)
Nach einer Stunde im Nebenraum fuhr die junge Frau mit mir in die City, um etwas zu essen. Dabei erfuhr ich nicht nur, dass es für Weiße „zu gefährlich“ sei, in einen Maori-Pub zu gehen. Sondern, dass der Konflikt zwischen Ureinwohnern und Weißen nach wie vor besteht und dies Neuseeland’s versteckte Schattenseite sei.
Das verblüffende war, dass die Maori mich akzeptierten. Denn erst im Laufe des Gesprächs erfuhren sie, dass ich Deutscher und auf Besuch dort sei. Offenbar haben die nichts gegen Deutsche (oder andere Ausländer) oder Weiße generell. Die haben allerdings ein zerrüttetes Verhältnis zu ihren ehemaligen Kolonialisten, die ihnen das Land ‚geklaut‘ hatten. So die Aussage der Weißen, die deshalb ein schlechtes Gewissen haben oder sich eine Art von geerbter Kollektivschuld geben. So schüren die ihre eigenen Ängste und Ressentiments.
Das die meisten Maoris arm sind und in einer Parallelgesellschaft leben, hängt auch damit zusammen, dass diese seit Generationen klein gehalten wurden. Erst seit einigen Jahren arbeitet man das auf. Die Neuseeländer nennen sich seit jeher „Kiwis“, die Weißen Kiwis nennen die Maoris heutzutage „The Real Kiwis“. Na bitte, es geht doch.
Wie bisher in Neuseeland werden auch in Good Old Germany die Eingeborenen (Deutsche) auf kriminelle Art klein gehalten. Nicht von vielen zugewanderten Asylanten. Sondern von wenigen, also dem Herrschaftssystem der eigenen Eliten, die davon leben, Ängste zu schüren. – Und daher keine Lösungen parat haben (wollen).
Nicht das Ende der Welt
Ich drücke mich mal vorsichtig optimistisch aus. Nicht alle, aber viele flüchtende Immigranten, die nach Deutschland kommen, sind doch potentielle Unternehmer, weil sie sich ein neues Leben aufbauen wollen. Das sollte man erlauben. Die kommen meist nicht aus einem Ghetto, wo Armut vererbt wird, sondern aus ursprünglich moderaten Verhältnissen. Die bringen möglicherweise frischen Wüstenwind in die verkrustete Wirtschaft und könnten die sozialen Strukturen ein Stück weit aufbrechen. Und damit den Weg für und mit anderen, also Deutschen zu mehr Selbstbestimmung bereiten. Konflikte verschwinden, wenn man was gemeinsam hat (wie ein Bier mit den Maori) oder was Neues aufbaut, was vielen nützt. Nichts gemeinsam haben wir mit den Machteliten. Und wer „die Wirtschaft“ ist, ist derjenige, der wirtschaftet. Und nicht irgendwer da oben.
Wer als Zugewanderter nicht mit deutschen oder europäischen Sitten klarkommt, der sollte wieder rausfliegen. Genauso diejenigen, die ihren Jihad fortführen wollen, keine Steuern zahlen, intolerant sind oder sich daneben benehmen. Denn wenn es nach mir ginge, dann wären alle auf Bewährung hier. Die amerikanische Greencard ist auch nur ‚auf Bewährung‘. So trennt man die Spreu vom Weizen.
Wenn man aber die Leute (als künstlerische Unternehmer oder unternehmerische Künstler, also Entrepreneure) frei wirtschaften lässt und für alle Deutschen und Einwanderer die allgemeine Bürokratie herunter fährt, fährt man automatisch den Wohlstand hoch. Kunst wie Unternehmertum müssen frei sein, um sich entfalten zu können. In diesem Fall lohnt es sich, mal einen Blick auf die Anfänge eines Einwanderungslandes wie die USA zu werfen. Da konnte jeder Heini was aufbauen. In den Anfangszeiten gab es weder Abhängigkeiten von irgend einer Großindustrie noch Lobbyismus. Die Wirtschaft haben Einwanderer aufgebaut. Und deren Kultur beherrscht als kommerzielle Kunst die Welt.
Der deutsche Wohlstand könnte eine Zukunft haben. Aber der liegt nicht in einem Angestelltenverhältnis bei VW oder als Beamter oder – Gott bewahre – als Hartz 4-Empfänger. Und der liegt auch nicht darin, als billige Arbeitskraft zu verenden und wieder mal Mutti die Schuld zu geben. Sondern darin, „die Wirtschaft“ zu übernehmen und Einfluss zu gewinnen, um die Wirtschaft oder die Kunstszene zu sein.
Wie mittlerweile jeder Normalbürger mitbekommen hat, beginnt die deutsche Industrie(politik), sich allmählich zu demontieren. Somit ist die typisch deutsche Vollkasko- und Angestelltenmentalität ein passives Auslaufmodell wie der VW-Diesel in Kalifornien. Allein daran weiter festzuhalten wäre verrückt, im negativem Sinne. Braucht man in Deutschland erst eine deftige Krise, um das zu kapieren?
Positive Verrücktheit bedeutet, die Flucht nach vorn anzutreten und Neues zu erlauben, Kreativität zu fördern und dann mal was zu wagen. Das heißt aktiv sein. Somit bin ich auch ein Flüchtling, einer, der nach vorn ‚flüchtet‘. Und zwar abseits von der Industriedenke des hiesigen Bildungs- und Mediensystems.
Angepasste Jasager und Autoritäten wie Funktionäre, die von einem korrupten System profitieren und auf Nummer Sicher gehen, haben wir mehr als genug. Genauso alle Sorten von Verwalter. (Daher jeglicher Verwaltungsaufwand.) Und die gehen genauso wenig von selbst, wie die Asylanten oder die Angst der Deutschen vor „Überfremdung“ (plus Arbeitsplatz- und Sozialleistungsklau, der von der falschen Denkweise als Abhängiger herrührt.)
Nur der aktive kann den passiven von Thron schubsen (Oder letzteren zumindest unbequemer machen.)
Wenn alle passiv bleiben, greifen irgendwann Verrückte ein. Da kann man nur hoffen, das die Verrückten nicht pathologisch (geschädigt) sind. Andererseits, wenn ich nicht verrückt wäre, dann wäre ich nie mit auch nur einen einzigen Maori in Kontakt gekommen. Oder ich hätte keinen Blog gestartet.
Typisch deutsche Reserviertheit, Passivität (Zuschauer-Syndrom) und Angst (vor Veränderung) erhalten keinen Wohlstand, erschaffen schon gar keinen, aber höhlen diesen aus. Anstatt die Gesellschaft innovativ zu erneuern, versucht der verdummte Bürger vom alten System zu retten was zu retten ist. (Flüchtlinge stören natürlich dabei und bekommen den Frust ab.) Aus Angst vor einer ‚ungewissen‘ Zukunft, versuchen viele, ihre alten Herrscher (z.B. Konzerne als Arbeitgeber samt Sozialsystem) zu erhalten. Nichts weiter.
Und noch eins. Mutti könnte weiter denken. Kann sie anscheinend aber nicht. (Flüchtlinge bringen beim jetzigen System zum Beispiel Druck in den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme.) Wenn sie schon quasi über Nacht alle Flüchtlinge (und die, die sonst noch dabei sind) Tür und Tor öffnet, warum schafft sie nicht genauso schnell die Bürokratie für Gründer ab?
Es ginge aber auch anders: Was man mit und durch viele Flüchtlinge ändern kann, ist freies (kreatives, unternehmerisches, selbstbestimmtes) Denken von unten in die deutschen Köpfe zu kriegen. Genau dazu fehlte es bisher nur an Beispielen und den richtigen Impulsen. (Das Bildungssystem kann da nicht liefern.) Neue Einwanderer mit neuen Ideen und dem Willen, was für die hiesige Gesellschaft zu schaffen, kämen da gerade recht.
D-Land braucht weder eine Willkommens- noch eine Verabschiedungskultur. D-Land braucht eine tolerante Unternehmenskultur und Inspiration. Flüchtlinge sind dann nicht mehr das Problem. Sondern Teil der Lösung. Und für die Lösung muss niemand Mutti um Erlaubnis fragen. Als Einheimischer sollte man sinnbildlich lieber das Messer in den Konferenztisch von Politik und Konzernen rammen – die das wahre Paralleluniversum sind – anstatt Unschuldige samt ihrer Träume abzufackeln. (Und damit das eigene Universum.) Denn Flüchtlinge sind weder Kolonialisten noch geborene Sozialschmarotzer, sondern Macher. Sonst hätten sie sich nicht bis nach D-Land aufgemacht.
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