Produkte, die einen Beipackzettel wegen der Nebenwirkungen bräuchten

Bei Medikamenten müssen die Begleiterscheinungen immer angegeben werden. Das ist ungerecht gegenüber der armen Pharmaindustrie. Selbst bei Tabakprodukten sind die Beschreibungen nur vage Annahmen und nicht zu vergleichen mit den sauber aufgeführten Fakten der Pillendreher.
„Rauchen ist Tödlich“? Lächerlich. Da können die genauso drauf schreiben „Die Welt ist böse“ oder „Mutti hat Schuld“. Jeder ahnt es, aber die Details fehlen.
Ganz anders bei den Pharmaprodukten. Denn manchmal ist es ganz interessant, was eine schnöde Kopfschmerztablette noch so alles drauf hat. Wenn du aber kreativ bist und von der empfohlenen, also standardmäßigen Dosis und Art der Einnahme abweichst, kann sie ihr volles Potential entfalten. Als Konsument wird bei diesem Produkt recht gut darüber informiert, wie die Tablette auf welche Weise was bewirken kann. Aber es wird nicht explizit darauf hingewiesen.
Die Realität kreativ ins Licht rücken
Bei allen anderen Produkten gibt es, abgesehen von ein paar Warnhinweisen, das noch nicht. Hier kurz mal fünf Beispiele, wie es meiner Meinung nach sein müsste:
VW-Diesel-Auto: „Bei bestimmungsgemäßen Gebrauch auf dem Rollenprüfstand sind keine Nebenwirkungen bekannt. Beim Fahren auf der Straße kann es vereinzelt zu Frustration und Raucherhusten kommen.“
Apple iPhone: „Bei Daueranwendung besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen ein Buckel in Form eines übergroßen Apfels wächst.“

Jack Daniel’s: „Nach der Einnahme ist zu erwarten, dass beim morgendlichen Aufwachen die Frau neben Ihnen so aussieht wie Mr. Jack Daniel.“
Snickers: „Bei Joan Collins, ist nachgewiesen worden, dass bei Frauen neben abrupter Gewichtszunahme und Seditation (Beruhigung) auf das Zentrale Nervensystem begleitend Haare auf Brust und Gesicht gewachsen sind.“
Meister Proper Allzweckreiniger: „Bei Frauen sind keine Nebenwirkungen bekannt. Bei Männern ist vom Gebrauch abzuraten, ansonsten besteht bei Anwendung das Risiko von akutem Haarausfall.“
Diese Beispiele sind sind vielleicht etwas überzogen. Aber sie regen zum Denken an. Und da Denken anstrengend ist, hilft es, einige Dinge erst einmal durch den Kakao zu ziehen. Somit kommt der Prozess in Gang.
Bisherige Fälle
Es gab oder gibt Fälle, wo es ein bisschen in diese Richtung ging. Die kennst du bestimmt. Bei Red Bull hieß es „Red Bull verleiht Flügel“ und beim Kräuterlikör Fernet Branca höre ich noch: „Man sagt, er verleihe magische Kräfte“.
Aber das ist nicht mehr kreativ, nicht mehr modern. Bei Red Bull war es als Witz gedacht. Deshalb sind mir nach dem Killen von zwei Kartons Red Bull eben keine Flügel gewachsen. Dabei hätte ich mich auch mit denen einer Fledermaus zufrieden gegeben. Aber da wuchs nichts.
Und selbst nach vier Pullen Fernet, um mich wieder vom Red Bull zu beruhigen, war ich immer noch kein Magier. Vielleicht habe ich im Suff auch einfach nur daneben gehext. Amnächsten Tag sah es zumindest so aus. Aber von Magie war keine Spur. Daher heißt es bei Fernet auch „Man sagt….“. Eben. Man sagt viel wenn der Abend lang wird.
Die wirkliche Kunst ist es, eine echte, also reale Produkteigenschaft gekonnt in Szene zu setzen. Es muss nicht einmal die Haupteigenschaft sein. Denn wenn es darum ginge, würde Rolex keine Rolex mehr los werden. (Gucken, wie spät es ist.) Oder Ferrari würde keinen Ferrari mehr verkaufen. (Schnell fahren mit präzisem Handling.)
Die Zeit ablesen kannst du mindestens genauso gut (oder besser) auf dem Smartphone oder auf einer soliden CASIO-Armbanduhr mit allen Funktionen. Rekordzeiten auf der Rennstrecke hinlegen könntest du auch mit einem Nissan GTR von der Stange. – Rein von den technischen Daten her.
Wozu noch Rolex oder Ferrari? Wegen der Nebenwirkungen. Das bei einer Rolex im Gegensatz zu preiswerteren Uhren garantiert nichts ziept und kratzt ist klar. Ebenso klar ist, dass bei Ferrari nicht die Bremsen quietschen wie bei Nissan.
Ein berühmter Name allein ist nur die halbe Miete und dessen Ruhm muss bei teuren Produkten ständig aufs neue bewiesen werden. Dieser Beweis steht nicht versteckt im Beipackzettel. Sondern er ist präsent und geht direkt ins Hirn:
Das Design, der Geruch, der Klang, die Details, der Entjungferungs-Kick (beim auspacken, Entkorken, Tür öffnen), das erhebend elitäre Club-Gefühl und all die Assoziationen mit den ‚Reichen und Schönen‘ oder mit den ‚Kennern und Eingeweihten‘. Man fühlt sich anders. So wie bei den zerstampften und dann durch die Nase gezogenen Arthritis-Pillen.
Sagen, was Sache ist
Viele Dinge kauft man ja gerade wegen der Nebenwirkungen. Vielleicht sollten mal ein paar Anbieter freiwillig die Begleiterscheinungen bei jedem Produkt veröffentlichen. Am besten würden diese so formuliert, dass sie gleich auf den Punkt kommen und neugierig machen. Das heißt, die müssen in den Vordergrund gestellt werden. Ohne Werbung, denn die braucht man dann nicht mehr. Das ist wie bei Drogen. Drogen brauchen keine Werbung.
Jeder sollte seine Nebenwirkungen täglich vor sich her tragen. Wer Rockstar werden will, der sollte aussehen wie einer. Wer nach einem Umzug neue Freunde sucht, der sollte daherkommen wie ein alter Kumpel, bei dem man das Gefühl hat, ihn schon ewig zu kennen. Wenn du dich als Sprachlehrer, Dolmetscher oder Komiker bewerben willst, dann mache neugierig, indem du unterhaltsam mit verschiedenen Akzenten und Stimmlagen spielst.
Es gibt den alten Spruch: „Wenn du in Rom bist, dann benimm dich wie ein Römer.“ Ich sage: „Zeige, dass du ein Römer bist, dann erschaffst du Rom bei dir.“ – Dann nämlich wird aus einer vorher vielleicht nicht beachteten Begleiterscheinung der wahrscheinlich einzige Grund, dass sich jemand dafür entscheidet, bei dir zu kaufen, etwas mit dir zu unternehmen oder dich gleich zu heiraten.
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