Mir ist aufgefallen, dass alle Zahnärzte, die ich bei der Arbeit gesehen (oder erlebt) habe, den Patienten immer rechts neben sich auf dem Stuhl haben. Aber macht der das anders, wenn er Linkshänder ist? Sagt er dann: „Ich ziehe lieber den Zahn, als ihn zu füllen, denn beim Bohren habe ich nicht so viel Gefühl in der rechten Hand.“
Natürlich ist das Quatsch. Ein gutes Beispiel sind Gitarristen, die als Linkshänder auf einer handelsüblichen Rechtshänder-Gitarre spielen. Gary Moore war so einer. Ebenso macht das Dave Kilminster. Wiederum genau umgekehrt machen das Greg Sage oder Eric Gales.
Man könnte es selbst ausprobieren. Beim Autofahren hatte ich in Ländern mit Linksverkehr nie Probleme. Außer in den ersten paar Sekunden. Da hatte ich statt den Blinker zu setzen, bei strahlendem Sonnenschein die Scheibenwischer angemacht. Das war es auch schon. Danach bin ich auf Anhieb im englischen Großstadtverkehr gut klar gekommen.
Ich bin Rechtshänder. Mein Bruder ist Linkshänder (eher Beidhänder). Und es gibt Leute, die haben zwei linke Hände, können dafür andere Dinge richtig gut, die keine Fingerfertigkeit erfordern. Aber es gibt einen gewissen Reiz, die Dinge einmal anders in die sprichwörtliche Hand zu nehmen. Auch im übertragenden, also unkomfortablen Sinne.
Was wäre, wenn man ein Buch schreiben will und hinten, beim Schluss, anfängt und sich dann Kapitel für Kapitel wortwörtlich „nach vorn arbeitet“?
Oder was wäre, wenn man einen neuen Song schreiben will und eine vorhandene Melodie – zumindest teilweise – rückwärts spielt. Oder man veranstaltet zur Belustigung des Publikums ein Autorennen, wo alle wie die bekloppten rückwärts fahren.
Einige Entrepreneure und Künstler – mich zeitweise inbegriffen – stehen morgens um 3 Uhr auf, basteln an ihren Werken und Konzepten oder schreiben Beiträge für den Blog, gehen dann arbeiten in einem Job. Und wenn Feierabend ist, gehen sie sofort ins Bett. Der Vorteil ist klar: Morgens haben sie die meiste Energie und oft sogar kreative Schübe. Das können sie dann in ihr Vorhaben stecken, anstatt die wertvolle Energie für den Tagesjob zu verheizen. Außerdem ist es morgens ruhiger, womit keiner stört oder anruft.
Du kannst Produkte in Dienstleistungen umwandeln oder statt Festpreise Gebühren erheben. Oder alles anders herum.
Rein gedanklich kannst du dich mit genug Fantasie in ein anderes Land versetzen und dabei überlegen, wie du es dort anstellen würdest, was du hier gerade machst. Das bringt dich auf neue Ideen.
Es geht eigentlich nicht um Links- oder Rechtshänder. Sondern um unübliche, ungewohnte Herangehensweisen, die einem ‚bequem‘ aus der Komfortzone ziehen. Dafür musst du keine extremen Anstrengungen in Kauf nehmen. Du musst nur schräg genug denken und den Mut haben, es auszuprobieren. – Im Alltag, in der Kunst oder beim Sex.
Habe Geduld mit dir selber und mit anderen. Gut Ding braucht Weile. Und Übung. Und Neugierde.
Und wenn du dich daran gewöhnt hast, etwas auf neue Art zu tun, und der Reiz irgendwann verloren gehen sollte, dann änderst du die Taktik wieder. Wenn du das oft genug tust, bist du dir selber immer einen Schritt voraus — und für die, die du es tust, stichst du womöglich gerade deshalb heraus.