Tut der Blogger dem Leser einen Gefallen oder tut der Leser dem Blogger einen Gefallen?

Hilfe – und darum geht es viel beim Bloggen – wird hierzulande misstrauisch beäugt. Generell. So gehe ich mal davon aus, dass jemanden, den du Hilfe anbietest, dich nicht gleich verdächtigt, dass du von ihm eine Gegenleistung einforderst. Aber du wirst das Gefühl nicht los, als ob derjenige, dem du helfen willst, dir einen Gefallen tut, indem du ihm „helfen“ darfst.

Seit 2013 habe ich über 1.800 deutschsprachige Blogs besucht und bei mindestens 700 von denen wiederum mindestens einen Beitrag gelesen. Häufig mehr. Mit anderen Worten, falls du Blogger bist, dann habe ich dich bereits besucht.

Haben wir Gemeinsamkeiten (Kreativität, Inspiration, Nonkonformismus oder ein höllisch-schräges Produkt), dann bin ich einer deiner Leser. Aber ich schätze (und hoffe), dann kennen wir uns schon. Denn an Gemeinsamkeiten dünnt sich die Masse an für mich relevante und damit hilfreiche Blogs schnell wieder auf einige wenige aus.

Blogger sind da, um zu helfen oder einen Teil der Welt zu verändern (ja das wollen die wirklich). Aber hier in Deutschland herrscht ein gewisses Misstrauen gegenüber jeden vor, der sich irgendwie hilfsbereit zeigt. Die Denke ist so:

„Gebe ich dir den kleinen Finger, so reißt du mir den ganzen Arm ab.“ Oder: „Der wird bestimmt aufdringlich und will mir dann hinten rum was verkaufen.“

Auf die reale deutsche (Online-)Welt übertragen kann man sich das als unaufhaltsame Lawine des Unheils vorstellen:

Jemand, der nun eine gewisse „Hilfe“ oder einen Gefallen annimmt muss fortan mit damit rechnen, von Angeboten oder anderen Aufdringlichkeiten belästigt zu werden. Er befürchtet Opfer einer aggressiven Verkaufsorgie, einer Indiskretion, einer unfreiwilligen Mitgliedschaft oder ähnliches zu werden.

So jemand rechnet damit, dass er unumkehrbar bedrängt, belästigt und bombardiert wird. Derjenige, dem ein Gefallen angeboten wird, fühlt sich schon ausgenutzt, bevor er sich darauf einlässt. Es besteht Unsicherheit, wer hier wem einen Gefallen tut.

Dass das nicht von ungefähr kommt hat seinen Grund in der Gesellschaft, die teilweise egomanische Züge aufweist. Beispiel:

Ein alter und ehemaliger Kollege erzählte mir immer von seinen Erlebnissen aus dem zweiten Weltkrieg. (Ja, der ist wirklich alt.) Während der deutschen Besatzung in Norwegen, wo er stationiert war, lernte er die dortige Kultur kennen.

Er erzählte von den Kneipen, wo sie Abends zum Trinken gingen. Damals war es dort üblich, dass jeder der einheimischen Norweger immer dieselbe Summe auf den Tresen legte, egal wieviel er trank oder aß. Zumindest war dies in den kleineren Ortschaften über Jahrhunderte lang gängige Praxis in ganz Norwegen.

Manchmal verzehrten die Gäste weniger, manchmal mehr. Aber immer wurde die gleiche Summe auf den Tisch gelegt.

Gäste und Wirt vertrauten einander wie selbstverständlich und dem Wirt blieb immer genug über.. Es war Teil der norwegischen Kultur. Als die Deutschen dies mitbekamen, soffen und fraßen die sich bewusst jeden Abend für 3 Øre die Hucke voll und ließen sich anschließend noch ordentlich was einpacken.

Somit haben die schlauen Deutschen den naiven Norwegern die German Flatrate beigebracht. Oft verschwendeten sie das Essen. Dass die Wirte dabei anfingen, Miese zu machen, juckte den Deutschen nicht. Diese nutzen die Gastfreundschaft der Norweger schamlos aus. Die Wirte blieben so lange geduldig, bis es an ihre Substanz ging.

Nach und nach begannen die norwegischen Kneipen- und Restaurantbesitzer die Praxis umzustellen. Gezwungener maßen sozusagen. Sie begannen fortan, jedes Getränk und jede Speise minutiös abzurechnen. Das galt dann für alle, also für Deutsche und Norweger. Hätten die Wirte nur den Deutschen alles korrekt in Rechnung gestellt und den Norwegern nicht, so mussten die Wirte damit rechnen wegen Ungleichbehandlung von den Deutschen erschossen oder geplündert zu werden. Jedenfalls würden sie bestraft.

Seitdem wird bis zum heutigen Tag in Norwegen alles abgerechnet, so wie es auch in Deutschland üblich ist.

Was will ich damit sagen? Die Norweger gaben den Deutschen, wie allen anderen auch, freiwillig ihren kleinen Finger.

Allerdings rissen die Deutschen so viele Arme ab, dass seitdem kein norwegischer Wirt mehr einen Finger umsonst rührt. Absolut jede Kleinigkeit muss bezahlt werden. Wer sowas mal noch erleben will, wie es früher mal war, der muss heute nach Schweden fahren. Da gibt es zumindest noch den Kaffee umsonst, denn die Wehrmacht war dort nur auf Durchreise.

Das Böse kennt seinesgleichen. Oder besser gesagt, die Deutschen kennen sich selbst und damit ihre Kultur und Gesellschaft. Auf das Internet und speziell auf das Bloggen übertragen ist dies fatal. Dazu muss man nicht den zweiten Weltkrieg erlebt haben. Es reicht schon, einen Blog in deutscher Sprache zu eröffnen. Oder eine Kneipe…

[Tip: Einen Gang hoch schalten. Bei einer Kneipe sich rigoros auf die richtigen Gäste ausrichten. Bei einem Blog für die Fans (gewünschte Leser) bloggen. Und nicht für Konkurrenten, andere Blogger, die dasselbe in Grün schreiben oder deren Leser. — Egal, ob die Besucherzahlen gerade durch die Decke schießen oder nicht. Damit gebe ich sowohl dir als auch mir selbst heute einen Tip.]