Manfred

Du kennst sicher Situationen, in denen du eine Unterhaltung hast, die dich amüsiert. Dabei reden du und dein Gegenüber aber gleichzeitig aneinander vorbei. Absichtlich. Der Grund: Du willst diesen sympathischen Menschen nicht brüskieren.

Dass der Wissensstand, die Kompetenz und das Weltbild deines Gesprächspartners etwas anders sind als deines, muss kein Grund für einen Streit sein. — Solange du mit ihm ansonsten wunderbar klarkommst. Beispiel:

Ein alter Bekannter von mir ist aufgrund seiner Art und seiner Erscheinung bei einigen ‚feinen‘ Leuten nicht so beliebt. Er ist nicht arm, aber wirkt etwas unkonventionell, grobschlächtig und respektlos. Und er ist gelegentlichen (kleinen) Geschäften nicht ganz abgeneigt.

Du musst ihn dir als eine trinkfeste Mischung aus Arnold Schwarzenegger und dem Präsi aus den Werner-Filmen vorstellen. Der Mann fällt auf, wenn er irgendwo lang läuft. Der könnte auch aus einer Film-Komödie stammen.

Er trägt einen viel zu kleinen Hut über seine Lockenfrisur. Und sein Markenzeichen, die voluminös-dröhnende Stimme, hört man kilometerweit. Betritt er einen leeren Raum, dann ist der Raum voll. Er ist selbstständiger Bauleiter von Beruf und quatscht jeden mit „Du“ an. Zudem hat er mehrere Jahre Knast-Erfahrung hinter sich. Er hat auch den Richter geduzt.

Vor einiger Zeit, es war Sonntag Nachmittag, klingelte er bei mir an der Haustür und ich sagte: „Hallo Manfred*, lange nicht gesehen! Wie gehts? — Komm doch rein!“

Manfred, kaum in der Wohnung, sagte leise und geheimnisvoll wie ein Märchenonkel: „Du, ich hab was schönes!“

Ich (dachte an eine Nutte) und sagte: „Oh…. nimm erst mal ein Bier!“ (Kaffee trinkt der nicht.)

Manfred dann: „Brauchst `nen Misseedis?“

Ich, für einen Moment irritiert und sprachlos, fragte zurück: „Einen Mercedes?“

Manfred weiter: „Is’n jroßer, schön mit Leder. Is `ne Spezialausführung von Amerika. Hat allet dran.“

Ich: „Hmm, weißt du… also ich selber brauch‘ jetzt keinen. Aber ich kann mich mal umhören. Vielleicht kennt mein Bruder jemanden, der Interesse hätte. Ich hol mal einen Zettel, da kannst mir alles über den Wagen aufschreiben.“

Manfred: „Ja, schreib‘ ma‘ meine Nummer auf.“ (Manfred diktierte seine Telefonnummer.)

Ich: „…wir brauchen fürs erste noch Baujahr, Erstzulassung, Kilometerstand, genauer Typ, Anzahl der Vorbesitzer und mögliche Unfallreparaturen.“

Manfred, während er mir eine Zigarre anbietet und sich gleich selber eine – ungefragt – in meinem Wohnzimmer ansteckt: „Der is‘ nich‘ viel jelaufen, wie neu und stand die meiste Zeit inne Jarage.“

Dann erkundigte Manfred sich fürsorglich über meine Familie, ob alle gesund sind, wie es Mutter und Vater geht, was Oma macht, ob die Geschäfte laufen, die Weiber und so weiter. Und er erzählte über Leute, mit denen er noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Und dass er einen „dieser Hurensöhne“ (Beamter), der sich vor ihm im Keller versteckt hatte, bereits gestern „jelüftet und dann de Fresse poliert“ hatte.

Manfred: „Und den seine Olle hat vielleicht jeschrien. Die hätte ich am liebsten gleich mit vermöbelt.“

Ich: „Vielleicht zeigt die dich an.“

Manfred: „Na und? Ich hab auch auch meine Beziehungen.“

Ich: „Kann ich mir denken. Du bist ja wieder in aller Munde.“

Manfred winkt ab: „Ach die Leute, die reden viel wenna Tach lang is‘. – Am schlimmsten sind lieben juten Nachbarn! Auch wenn die über Jahre noch so freundlich tun, das sind die ersten, die dir die Behörden uff’n Hals hetzen.“

Ich: „Besser man hat keine Nachbarn.“

Manfred: „Da weiß ich’n schönes Grundstück für dich. Erschlossen mit Baujenehmigung! Da können wa‘ gleich hinfahren. Mit’en Misseedis.“

Ich: „Ich kann jetzt keinen Hausbau bezahlen.“

Manfred: „Brauchste nich‘! Ich hab da jemanden, der finanziert alles. Das macht der in keine 5 Minuten.“

Ich: „Wenn ich mal ein Haus brauche, dann sage ich dir Bescheid Manfred.“

Manfred guckte zufrieden und sagte: „Komm, fahr’n wir mal mit’en Misseedis.“

Wir gingen raus und da stand die Mühle. Ich sagte: „Ah, eine 550er Langversion, US-Ausführung.“

Manfred: „Wa‘?“

Ich: „Die amerikanische 500er S-Klasse.“

Manfred: „Is’n Misseedis… `nen großer, von Amerika.“

Ich: „Was soll der Kosten?“

Manfred: „30 Mille. Für dich nur 20.“

Ich: „Der scheint ja in Schuss zu sein, wo hast du den her? Der hat ja nur 18.000 Meilen runter.“

Manfred: „Sag‘ ich doch! Hier drin haste schön Platz.“

Ich: „Kam der als Neuwagen per Re-Import? Hatte der einen Vorbesitzer? Wo wurde der zuerst zugelassen?“

Manfred: „Der is‘ von Amerika. So einen kriegste hier nich‘.“

Ich: „Mit wieviel Kilometern hast du den gekauft?“

Manfred: „Der fährt keene Killemeeta! Der is‘ mit Meilen.“

Ich: „Wer war der Vorbesitzer? Wer hat den vor dir gefahren? Oder hast du den fabrikneu bekommen?“

Manfred: „Den hat’n reicher Ami jefahren, nur in Deutschland. Ich bin noch keine 3.000 Meilen mit jefahren.“

Ich: „Wieso willst du den wieder verkaufen? Der passt doch gut zu dir. So’n schöner Chromaflair-Lack.“

Manfred: „Ich krieg `en neuen.“

Ich: „Ach so, den Nachfolger.“

Manfred: „Na ja. Nu‘ fahr ma`!“

Ich: „Wohin denn?“

Manfred: „Zu dit Baujrundstück.“

Ich: „Wo ist denn das?“

Manfred: „Is nur 5 Killemeeta!“

Dann erklärte Manfred mir irgendwas von einem Waldstück. Denn ich hatte keine Ahnung, was er meinte und so fragte ich, ob er mir den Weg beschreiben kann, wie ich dort hin komme.

Manfred saß neben mir, hielt seine dritte Bierpulle in der einen Hand, die Zigarre in der andren. Er sagte nur – und das ist typisch Manfred (während sich die Glut seiner Zigarre durch den Lederbezug des Beifahrersitzes frisst): „Na, musste fahrn‘! Fahr doch mal… guck mal hier, `nen schönes Schiebedach…“

* Namen geändert.