Typisch deutsch

Im deutschen Internet laufen die Dinge anders. Ich als Blogger habe das auf die harte Tour gelernt. So etwas, wie eine ‚Blogosphäre‘ gibt es im deutschsprachigem Netz nicht. Was gibt es dann?

Es gibt sogenannte Communities, wie in Foren oder einigen Websites traditioneller Medien, wo Austausch und Kommunikation stattfinden. Und es gibt Blogs und Social-Media-Accounts mit gegenseitiger Vernetzung und einer mehr oder weniger aktiven, aber größtenteils passiven Anhängerschaft („Following“). Das ist schon mal gut.

Aber mal ehrlich, eine Blogosphäre wie im englischsprachigen Netz hat es hier bis heute nicht gegeben. Dafür sind die Mentalitäten zwischen englisch- und deutschsprachigen Gesellschaften zu unterschiedlich.

Als soziales Wesen gesellt sich der Mensch zu seinesgleichen. Aber die jeweilige Sichtweise darauf, wer zu wem gehört. ist in unterschiedlichen Gesellschaften – traditionell (oder historisch) bedingt – ebenso unterschiedlich.

In den USA, wo das Bloggen seinen Anfang nahm (und es auch pro Kopf viel mehr und vor allem besser vernetzte Blogs gibt als hier), ist das eher, wie mit den ersten Siedlern auf dem neuen Kontinent. Man hilft anderen, weil es selbstverständlich ist. Und zwar ohne zu erwartende Gegenleistung. Und es spielte nie eine Rolle, ob jemand mit 100 Mann als Anhang ankam und einen einzelnen um Hilfe bat oder umgekehrt. Mehr noch, man muss nicht mal um Hilfe „betteln“, man half und hilft auch so.

Wie gesagt, gegenseitige Hilfe ohne zu erwartende Gegenleistungen ist selbstverständlich. Ich habe es auf meinen früheren Auslandsaufenthalten – noch vor dem Internet-Zeitalter (mich gab’s da schon) – auf verschiedene Arten selbst immer wieder erlebt.

Bleiben wir beim Bloggen. Bloggst du auf Englisch, dann kannst du wie selbstverständlich mit jedem Blogger, der dir genehm ist, eine Beziehung aufbauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der eine neu und unbekannt ist und der andere bekannt und etabliert. Er sieht dich als seinesgleichen.

Verständlicherweise spielen etablierte Power-Blogger („Großblogger“) da eine Sonderrolle, in derer sie sich nicht mit jedem beschäftigen können. Obwohl ich weiß, dass ich von einem Seth Godin oder einem Derek Halpern innerhalb von wenigen Stunden eine ausführliche, freundliche und auf jeden Fall persönliche Antwort auf eine per Email gestellte Frage bekommen würde.

Es gibt auch bekannte, etablierte und erfolgreiche Qualitäts-Blogger in Deutschland und in Österreich, die ich persönlich sehr schätze, die gern helfen und die ich gerne mal in Natura kennen lernen würde. Obwohl diese ganz andere Leser bedienen als ich. Diese Ausnahme-Blogger sind Glücksfälle und bestätigen die Regel. Aber trotzdem:

Was ist vor allem hier in D-Land anders als woanders? Und warum?

Zum einen gibt es (leider begründete) Skepsis gegenüber hilfsbereiten Zeitgenossen und generell allem, was mit „Gefallen tun“ zu tun hat.

Und zum anderen gibt es hier das mittelalterliche Stände-Denken, das fast jedem, der Deutsch als Muttersprache spricht, in Fleisch und Blut und bis auf die Knochen übergegangen ist. Komischerweise hat das Internet und die Art des Bloggens nichts mit dem Mittelalter zu tun, außer sich sozial auszutauschen.

Nicht umsonst gelten Deutsche in den Augen von Expats (Ausländer, die – z.B. berufsbedingt – vorübergehend in D leben) als anti-sozial. Beispiele:

Gymnasiastenkinder sind nur mit anderen Gymnasiasten befreundet. Unternehmer sind nur mit Unternehmern befreundet. Doktoren sind nur mit Doktoren befreundet. Elite-Uni-Abbrecher sind nur mit Elite-Uni-Abbrechern befreundet. Großblogger sind nur mit Großbloggern, Kleinblogger nur mit Kleinbloggern befreundet. Prominente Künstler sind nur mit bekannten Künstlern und unbekannte Künstler nur mit armen Künstlern befreundet. Beamte sind nur mit Beamten befreundet, Erben sind nur mit Erben beschäftigt befreundet, Aussendienstler sind nur mit Aussendienstlern befreundet, Lehrer sind nur mit Lehrern befreundet. Maschinenbauingenieure sind nur mit Maschinenbauingenieuren befreundet und Harz 4-Empfänger sind nur mit Hartz 4-Empfängern befreundet.

Das hat nichts mit einer Weltsicht zu tun, wie sie bestimmte Gruppen (sozialübergreifend) teilen. Sondern mit dem Status der Herkunft, also aus welchem Teil der Gesellschaft man kommt. Alles andere ist hierzulande „fremd“ und damit „falscher Umgang“.

So gibt es nicht nur keine deutsche Blogospäre, sondern auch keine deutsche Gesellschaft als Solche. Es gibt Stände und Cliquen, Klassen und Misstrauen. Online wie Offline. Jeder hält sich für „größer“ und „besser“ als den anderen.

Dieses Phänomen ist weltweit einmalig. Es ist typisch deutsch. Ich würde das all zu gern ändern. Aber dieser Änderungswunsch scheint genauso machbar zu sein, wie das Veranstalten einer öffentlichen Weinverkostung in Saudi-Arabien. Was mache ich statt dessen?

  1. Den Dreck der schlechten Erfahrungen abklopfen und weiter gehen.
  2. Nach Leuten recherchieren oder fragen, mit denen man gemeinsam mehr erreichen kann.
  3. Meinen Leser-Fokus extrem schärfen und einengen.
  4. Ein englischsprachiges Parallel-Projekt starten.
  5. Ein Bier trinken mit Leuten, die sich freuen, wenn sie mich sehen.

Was kommt nach Merkel?

Vielleicht hätte ich fragen sollen, wer nach Merkel kommt. Aber dann wäre dieser Beitrag viel zu kurz ausgefallen. Denn meine Antwort darauf lautet: Niemand. Oder irgendwas in der Art.

Heute geht es um die liebe Zukunft. Und das heißt für Deutschland, dass sie besser nicht statt finden sollte. Denn keiner will die Zukunft, jedenfalls nicht in diesem deutschen Leben.

In kaum einem anderen Land der Welt macht man sich mehr Sorgen wegen der Zukunft als bei uns hier in Deutschland. Und wie wir wissen, führen Sorgen zu noch mehr Sorgen. Es ist die realistische Sorge, dass wir unsere Vergangenheit bald nicht mehr als Gegenwart bezeichnen können.

Wir Deutschen hängen am erreichten und damit wir lieben das, was eigentlich schon vergangen ist. Wir lieben die Vergangenheit so sehr, dass wir immer noch darin leben.

Also warum sorgen wir nicht dafür, dass zumindest die Gegenwart, die ja eigentlich die Vergangenheit ist, nicht vergeht?

Es gibt einen Lichtblick, im hier und gestern. Das heißt erst einmal, solange Angela Merkel regiert, ist alles in Ordnung.

Die Wirtschaft brummt. Nicht einmal Spähaffären, die drohende Tollwut Griechenlands oder im Hinterzimmer des Oval Office ausgekungelte Freihandelsabkommen können mit ihr als Kanzlerin gefährlich werden. Selbst der böse Seehofer frisst ihr schon lange aus der Hand, ohne in Muttis Finger zu beißen. — Wer will, dass das so bleibt, der braucht Merkel.

Die Frage ist, was kommt nach Merkel? Höchstwahrscheinlich die Wiederwahl Merkels. Denn alle wollen Merkel. Deshalb wählen sie sie. Aber kein Mensch lebt ewig, auch nicht Mutti. Und dass das Undenkbare passiert und Mutti sang und klanglos verpufft, das jagt jeden anständigen Deutschen einen gehörigen Angstschauer über die bierverwöhnte Plautze.

Jeder deutsche Wähler weiß ganz tief im Innern, dass es keinen adäquaten Ersatz für Mutti gibt. Nicht einmal ansatzweise. Woher auch? Die beste Bundeskanzlerin aller Zeiten hat ja alle Rivalen weggebissen. Nun ist keiner mehr da, der ihr das alkoholfreie Bier reichen kann. Und diejenigen, die doch noch da sind, haben Angst vor Mutti. Selbst dann noch, wenn sie irgendwann nicht mehr da ist. Denn der Muttikomplex ist nun mal eine Langzeitfolge.

Weil ich mir darüber Gedanken gemacht habe, bin ich auf eine grandiose Idee gekommen:

Wir müssen allen Mut zusammenfassen und Angela Merkel klonen.

Und wir sollten am besten gleich damit anfangen. Noch ist es nicht zu spät, um das fürs Klonen notwendige Ausgangsmaterial in brauchbarer Menge von der Original-Spenderin zu beschaffen, denn die lebt ja noch.

Auch ich weiß, dass wir in Deutschland mit Gentechnik hadern. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Und in unserer Lage brauchen wir mehr als eine Fliege. Die Lösung liegt schon in den Labors von unseren besten Freunden. Das heißt, wir beziehen die Technologie zum Klonen einfach von den Amerikanern. Denn dort kaufen wir sowieso schon alles sicherheitsrelevante ein.

Oder wir lagern es als Dienstleistung bequem aus und lassen es gleich von den experimentiergeilen Yankees als Service ausführen. In dem Punkt habe ich vollstes Vertrauen. Denn im Gegensatz zu den deutschen Wählern wissen die Amerikaner genau, wie die Teutonen-Tante tickt. Ich denke, die sind da gern behilflich. Und wenn wir den Amis genug künstlerische Freiheit lassen, dann bekommen wir im Gegenzug unsere neuen Merkels für lau. Ich sehe da eine Win-Win-Situation.

Wie ich die Sache einschätze, werden die Amerikaner schon dafür sorge tragen, dass da, wo Merkel drauf steht, auch Merkel drin ist. Der Klonvorgang geht 1:1, komplett mit Raute. Die bunten Anzüge kann die nächste Merkel dann weiter tragen. Alles wie gewohnt.

Langfristig kann so unsere Zukunft und der darin leise hin bröckelnde Wohlstand gesichert werden. Stirb die eine Merkel, kommt die Nächste. Gibt es ein Attentat oder einen Unfall, schwupps, wieder die nächste. Immer jung und frisch aus dem Klonlabor. Das Wissen, die Erfahrungen und die aktuellen Befehle kann man per Neuroschnittstelle im Gehirn mit Bluetooth in Sekundenschnelle uploaden.

Und wenn ich schon mal dabei bin, würde ich noch einen Schritt weiter gehen. Da Frau Merkel gern alles alternativlos hat und der Deutsche es genauso gern einheitlich mag, kann man die Klon-Merkels doch gleich in tausender Stückzahl produzieren. In jedem Amt, in jeder politischen Funktion kommt eine Merkel. Das kommt eh billiger und ist praktisch. Es gibt keinen Widerspruch und alle sind sich einig. Dann wird sich die Frage über die Nachfolge Merkels völlig erübrigen. — Das wollen doch die Bürger. Und noch viel besser: So will Mutti das haben.

/satire

Ein waschechter Bellini

Manchmal hört man, meist in Filmen, wie jemand vom letzten große Ding redet, um dann für immer in Rente zu gehen. Oder um danach aus der Kriminalität auszusteigen. Denn die eigene Krininalität kann einem schon Sorgen bereiten.

Ein Bellini ist das, wovon jeder Kriminelle träumt. Und nicht nur die. Denn jeder, der zum Beispiel im Internet nach Hilfe sucht, der sucht selten Hilfe. Der sucht eine Abkürzung. Also einen Weg, der einem schneller (oder billiger oder bequemer) ans Ziel bringt, ein Problem löst oder von vornherein ausschließt. Aber meistens muss es schnell gehen, mit einem Ruck.

Im Film Welcome to Collinwood sagt einer der Figuren aus dem Gangsterviertel: „Jeder hier hat einen scheiß Bellini“. Als „Bellini“ wird darin so was, wie der perfekte Diebstahl bezeichnet, groß genug, damit für alle Beteiligten genug übrig bleibt. Der Bellini ist demzufolge ein „todsicheres Ding“.

In den Köpfen einiger Leute, die vom besseren Leben träumen, demzufolge auch bei Nichtgangstern, gibt es ebenso einen Bellini. Dann eben ein legaler.

Jene Leute wären mehr als gern bereit, etwas zu machen, dass ihnen schon nach kurzer Zeit eine lebenslängliche Rente garantiert. Mit spätestens 35. Unser Bellini ist hier der legale Bruder des Bankraubs, um kurz und schmerzlos auszusorgen. Ein Rente ohne Vorleistungen, ohne Investition und ohne Realitätssinn.

 

Ich verstehe die allgemeinen Sorgen

Es ist die Zukunft, die einem Sorgen bereitet und so den erlösenden Bellini entstehen lässt. Er ist die ersehnte Erlösung.

Aber, einen Bellini zu planen ist so, als wenn man einen selbst verschuldeten Verkehrsunfall mit Kollateralschaden plant, nur um sich danach nie mehr Sorgen mehr um den Spritpreis machen zu müssen.

Ein Bellini ist – obwohl er trotz aller Raffinesse langfristig alle Probleme (mit Geld) lösen soll – eben zu kurz gedacht. Er ist ein Wunschtraum, der die Zukunft zerstört, anstatt sie zu gestalten. Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob der Bellini legal ist oder nicht.

Der Grundgedanke ist, die bestehenden (und zukünftigen) Probleme auf einem Schlag zu eliminieren. Der Bellini ist daher etwas für ungeduldige, da er eine absehbare Flucht aus der gegenwärtigen Realität verspricht. Und deshalb ist er auch unrealistisch.

Man kann die Realität akzeptieren, ertragen und gestalten. Man kann ihr aber nicht entfliehen. (Außer man ist Lebensmüde.) Und ein Bellini lässt andere, reale Leute außer acht und nimmt keine Rücksicht auf sie, weshalb er auch nicht nachhaltig ist. Er schafft keinen Wert für andere, sondern ist – Gegenteil – nur auf das Nehmen, das Abgreifen ausgelegt. Ehrlich, so etwas bleibt nicht ungestraft. Das heißt, der Bellini pisst nach „erfolgreicher“ Ausführung sein eigenes Herrchen ans Bein. Und das immer wieder.

 

Wozu ein Bellini doch noch gut ist

Ich selbst hatte auch schon einen Bellini. Du auch? Vielleicht war es vielleicht nicht gleich eine Absicht, sondern nur ein Gedanke, eine reine Fantasie, ein Hirngespinst, ein Roman, ein Songtext oder ein Drehbuch. Oder ein Witz. Aber falls du immer noch einen Bellini hast, dann sage ich dir, dass du diesen für dich einspannen kannst. (Und nicht der Bellini dich.)

Wenn du ihn und die Beweggründe, warum du ihn hast, auseinander nimmst, dann entdeckst du Vordergründig einzelne Probleme. Diese Probleme sind – wenn du sie zueinander richtig zusammenbaust – die realistische (entgegengesetzte, machbare, funktionierende, nachhaltige) Spiegelvariante zum Bellini. Und der ist lauf lange Sicht das bestmögliche, was du mit deinen vorhandenen Mitteln zu machen im Stande bist. Du erkennst, was du kannst und wie du genau das anwendest, was du kannst. Die Spiegelvariante zeigt dir nicht den kürzesten Weg und auch nicht den leichtesten, sondern einen, der sich lohnt. Falls du diesen Weg zu gehen bereit bist, wirst du ihn – wie in einem Spiegel – sehen.

Wer die Erfüllung seiner Träume von außerhalb sucht (das Geld anderer Leute, Star-Ruhm mit Groupies), wird seines nie finden. Und wer glaubt, seine Probleme mit Geld lösen zu können, macht sich mit steigender Tendenz abhängig von noch mehr Geld, das er dann braucht. (Und wieder nicht haben wird.)

Um den eigenen Sorgen und Problemen zu entkommen, ist ein Bellini ungeeignet. Weil er nur die eigenen Sorgen und Probleme lösen soll und nicht mehr.

Ein Bellini ist kein Problem an sich, er ist nur das Symptom einer noch nicht zu Ende gedachten Lösung. Diese lösung ist größer als der Bellini. Denn der ist erst einmal nur eine von vielen schlechten Ideen. Daraus kann eine gute Idee entstehen. Zum Beispiel eine, die die Sorgen und Probleme anderer löst, weil sie die eigenen in anderem Licht darstellt.

Diese Sorgen und Nöte sind dann vielleicht noch da, werden mit der Zeit aber handzahm und auf jeden Fall umgänglicher. Und zwar bis zu dem Punkt, an dem es keine Sorgen und Nöte mehr sein werden. Sondern brauchbare Lösungen für bestehende Probleme. Und künstlerische Geniestreichs, die sich kommerziell behaupten.

Die Luft anhalten und abwarten?

Stell dir vor, du lässt dich für 100 Jahre einfrieren, weil du beispielsweise mit der gegenwärtigen politischen Lage in Deutschland unzufrieden bist. Du gibst ein Vermögen für die riskante Prozedur aus, aber du denkst, in der Zukunft ist alles besser, auf jeden Fall anders. Also lässt du die Zeit im Kälteschlaf verstreichen ohne Mühen und ohne zu altern.

Dass man dich irgendwann wieder auftauen kann ist aus der bisherigen Erfahrung mit Kryostase immer noch wenig wahrscheinlich. Aber falls es klappen sollte und du dann jung, frisch und munter wieder aufwachst, könnte etwas passieren, dass wohl wahrscheinlicher sein wird als die erfolgreiche Wiederbelebung.

Als erstes liest du dann folgende Schlagzeile in den Nachrichten: „…es kommen Gäste aus aller Welt ins Kanzleramt, um Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 160. Geburtstag zu gratulieren….“

Was nun?

Dinge auszusitzen kann eine Taktik für Politiker und Funktionäre sein, um mit Problemen und Widerständen umzugehen.

Aber für den Rest von uns ist es keine gute Idee, einfach zu warten. Ich sage nichts gegen geduldiges Warten. Ich warte auch oft. (Während andere schlafen.) Aber während du wartest, kannst du den Lauf der Dinge weiterhin beeinflussen.

Du kannst schon mal produktiv sein, du kannst lernen, spielen, trinken, tricksen, einmischen, singen, gründen, schreiben, stänkern — alles noch besser als zu bangen, wann das gegenwärtige Was-auch-immer endlich wieder vorbei ist.

Manfred

Du kennst sicher Situationen, in denen du eine Unterhaltung hast, die dich amüsiert. Dabei reden du und dein Gegenüber aber gleichzeitig aneinander vorbei. Absichtlich. Der Grund: Du willst diesen sympathischen Menschen nicht brüskieren.

Dass der Wissensstand, die Kompetenz und das Weltbild deines Gesprächspartners etwas anders sind als deines, muss kein Grund für einen Streit sein. — Solange du mit ihm ansonsten wunderbar klarkommst. Beispiel:

Ein alter Bekannter von mir ist aufgrund seiner Art und seiner Erscheinung bei einigen ‚feinen‘ Leuten nicht so beliebt. Er ist nicht arm, aber wirkt etwas unkonventionell, grobschlächtig und respektlos. Und er ist gelegentlichen (kleinen) Geschäften nicht ganz abgeneigt.

Du musst ihn dir als eine trinkfeste Mischung aus Arnold Schwarzenegger und dem Präsi aus den Werner-Filmen vorstellen. Der Mann fällt auf, wenn er irgendwo lang läuft. Der könnte auch aus einer Film-Komödie stammen.

Er trägt einen viel zu kleinen Hut über seine Lockenfrisur. Und sein Markenzeichen, die voluminös-dröhnende Stimme, hört man kilometerweit. Betritt er einen leeren Raum, dann ist der Raum voll. Er ist selbstständiger Bauleiter von Beruf und quatscht jeden mit „Du“ an. Zudem hat er mehrere Jahre Knast-Erfahrung hinter sich. Er hat auch den Richter geduzt.

Vor einiger Zeit, es war Sonntag Nachmittag, klingelte er bei mir an der Haustür und ich sagte: „Hallo Manfred*, lange nicht gesehen! Wie gehts? — Komm doch rein!“

Manfred, kaum in der Wohnung, sagte leise und geheimnisvoll wie ein Märchenonkel: „Du, ich hab was schönes!“

Ich (dachte an eine Nutte) und sagte: „Oh…. nimm erst mal ein Bier!“ (Kaffee trinkt der nicht.)

Manfred dann: „Brauchst `nen Misseedis?“

Ich, für einen Moment irritiert und sprachlos, fragte zurück: „Einen Mercedes?“

Manfred weiter: „Is’n jroßer, schön mit Leder. Is `ne Spezialausführung von Amerika. Hat allet dran.“

Ich: „Hmm, weißt du… also ich selber brauch‘ jetzt keinen. Aber ich kann mich mal umhören. Vielleicht kennt mein Bruder jemanden, der Interesse hätte. Ich hol mal einen Zettel, da kannst mir alles über den Wagen aufschreiben.“

Manfred: „Ja, schreib‘ ma‘ meine Nummer auf.“ (Manfred diktierte seine Telefonnummer.)

Ich: „…wir brauchen fürs erste noch Baujahr, Erstzulassung, Kilometerstand, genauer Typ, Anzahl der Vorbesitzer und mögliche Unfallreparaturen.“

Manfred, während er mir eine Zigarre anbietet und sich gleich selber eine – ungefragt – in meinem Wohnzimmer ansteckt: „Der is‘ nich‘ viel jelaufen, wie neu und stand die meiste Zeit inne Jarage.“

Dann erkundigte Manfred sich fürsorglich über meine Familie, ob alle gesund sind, wie es Mutter und Vater geht, was Oma macht, ob die Geschäfte laufen, die Weiber und so weiter. Und er erzählte über Leute, mit denen er noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Und dass er einen „dieser Hurensöhne“ (Beamter), der sich vor ihm im Keller versteckt hatte, bereits gestern „jelüftet und dann de Fresse poliert“ hatte.

Manfred: „Und den seine Olle hat vielleicht jeschrien. Die hätte ich am liebsten gleich mit vermöbelt.“

Ich: „Vielleicht zeigt die dich an.“

Manfred: „Na und? Ich hab auch auch meine Beziehungen.“

Ich: „Kann ich mir denken. Du bist ja wieder in aller Munde.“

Manfred winkt ab: „Ach die Leute, die reden viel wenna Tach lang is‘. – Am schlimmsten sind lieben juten Nachbarn! Auch wenn die über Jahre noch so freundlich tun, das sind die ersten, die dir die Behörden uff’n Hals hetzen.“

Ich: „Besser man hat keine Nachbarn.“

Manfred: „Da weiß ich’n schönes Grundstück für dich. Erschlossen mit Baujenehmigung! Da können wa‘ gleich hinfahren. Mit’en Misseedis.“

Ich: „Ich kann jetzt keinen Hausbau bezahlen.“

Manfred: „Brauchste nich‘! Ich hab da jemanden, der finanziert alles. Das macht der in keine 5 Minuten.“

Ich: „Wenn ich mal ein Haus brauche, dann sage ich dir Bescheid Manfred.“

Manfred guckte zufrieden und sagte: „Komm, fahr’n wir mal mit’en Misseedis.“

Wir gingen raus und da stand die Mühle. Ich sagte: „Ah, eine 550er Langversion, US-Ausführung.“

Manfred: „Wa‘?“

Ich: „Die amerikanische 500er S-Klasse.“

Manfred: „Is’n Misseedis… `nen großer, von Amerika.“

Ich: „Was soll der Kosten?“

Manfred: „30 Mille. Für dich nur 20.“

Ich: „Der scheint ja in Schuss zu sein, wo hast du den her? Der hat ja nur 18.000 Meilen runter.“

Manfred: „Sag‘ ich doch! Hier drin haste schön Platz.“

Ich: „Kam der als Neuwagen per Re-Import? Hatte der einen Vorbesitzer? Wo wurde der zuerst zugelassen?“

Manfred: „Der is‘ von Amerika. So einen kriegste hier nich‘.“

Ich: „Mit wieviel Kilometern hast du den gekauft?“

Manfred: „Der fährt keene Killemeeta! Der is‘ mit Meilen.“

Ich: „Wer war der Vorbesitzer? Wer hat den vor dir gefahren? Oder hast du den fabrikneu bekommen?“

Manfred: „Den hat’n reicher Ami jefahren, nur in Deutschland. Ich bin noch keine 3.000 Meilen mit jefahren.“

Ich: „Wieso willst du den wieder verkaufen? Der passt doch gut zu dir. So’n schöner Chromaflair-Lack.“

Manfred: „Ich krieg `en neuen.“

Ich: „Ach so, den Nachfolger.“

Manfred: „Na ja. Nu‘ fahr ma`!“

Ich: „Wohin denn?“

Manfred: „Zu dit Baujrundstück.“

Ich: „Wo ist denn das?“

Manfred: „Is nur 5 Killemeeta!“

Dann erklärte Manfred mir irgendwas von einem Waldstück. Denn ich hatte keine Ahnung, was er meinte und so fragte ich, ob er mir den Weg beschreiben kann, wie ich dort hin komme.

Manfred saß neben mir, hielt seine dritte Bierpulle in der einen Hand, die Zigarre in der andren. Er sagte nur – und das ist typisch Manfred (während sich die Glut seiner Zigarre durch den Lederbezug des Beifahrersitzes frisst): „Na, musste fahrn‘! Fahr doch mal… guck mal hier, `nen schönes Schiebedach…“

* Namen geändert.

Tut der Blogger dem Leser einen Gefallen oder tut der Leser dem Blogger einen Gefallen?

Hilfe – und darum geht es viel beim Bloggen – wird hierzulande misstrauisch beäugt. Generell. So gehe ich mal davon aus, dass jemanden, den du Hilfe anbietest, dich nicht gleich verdächtigt, dass du von ihm eine Gegenleistung einforderst. Aber du wirst das Gefühl nicht los, als ob derjenige, dem du helfen willst, dir einen Gefallen tut, indem du ihm „helfen“ darfst.

Seit 2013 habe ich über 1.800 deutschsprachige Blogs besucht und bei mindestens 700 von denen wiederum mindestens einen Beitrag gelesen. Häufig mehr. Mit anderen Worten, falls du Blogger bist, dann habe ich dich bereits besucht.

Haben wir Gemeinsamkeiten (Kreativität, Inspiration, Nonkonformismus oder ein höllisch-schräges Produkt), dann bin ich einer deiner Leser. Aber ich schätze (und hoffe), dann kennen wir uns schon. Denn an Gemeinsamkeiten dünnt sich die Masse an für mich relevante und damit hilfreiche Blogs schnell wieder auf einige wenige aus.

Blogger sind da, um zu helfen oder einen Teil der Welt zu verändern (ja das wollen die wirklich). Aber hier in Deutschland herrscht ein gewisses Misstrauen gegenüber jeden vor, der sich irgendwie hilfsbereit zeigt. Die Denke ist so:

„Gebe ich dir den kleinen Finger, so reißt du mir den ganzen Arm ab.“ Oder: „Der wird bestimmt aufdringlich und will mir dann hinten rum was verkaufen.“

Auf die reale deutsche (Online-)Welt übertragen kann man sich das als unaufhaltsame Lawine des Unheils vorstellen:

Jemand, der nun eine gewisse „Hilfe“ oder einen Gefallen annimmt muss fortan mit damit rechnen, von Angeboten oder anderen Aufdringlichkeiten belästigt zu werden. Er befürchtet Opfer einer aggressiven Verkaufsorgie, einer Indiskretion, einer unfreiwilligen Mitgliedschaft oder ähnliches zu werden.

So jemand rechnet damit, dass er unumkehrbar bedrängt, belästigt und bombardiert wird. Derjenige, dem ein Gefallen angeboten wird, fühlt sich schon ausgenutzt, bevor er sich darauf einlässt. Es besteht Unsicherheit, wer hier wem einen Gefallen tut.

Dass das nicht von ungefähr kommt hat seinen Grund in der Gesellschaft, die teilweise egomanische Züge aufweist. Beispiel:

Ein alter und ehemaliger Kollege erzählte mir immer von seinen Erlebnissen aus dem zweiten Weltkrieg. (Ja, der ist wirklich alt.) Während der deutschen Besatzung in Norwegen, wo er stationiert war, lernte er die dortige Kultur kennen.

Er erzählte von den Kneipen, wo sie Abends zum Trinken gingen. Damals war es dort üblich, dass jeder der einheimischen Norweger immer dieselbe Summe auf den Tresen legte, egal wieviel er trank oder aß. Zumindest war dies in den kleineren Ortschaften über Jahrhunderte lang gängige Praxis in ganz Norwegen.

Manchmal verzehrten die Gäste weniger, manchmal mehr. Aber immer wurde die gleiche Summe auf den Tisch gelegt.

Gäste und Wirt vertrauten einander wie selbstverständlich und dem Wirt blieb immer genug über.. Es war Teil der norwegischen Kultur. Als die Deutschen dies mitbekamen, soffen und fraßen die sich bewusst jeden Abend für 3 Øre die Hucke voll und ließen sich anschließend noch ordentlich was einpacken.

Somit haben die schlauen Deutschen den naiven Norwegern die German Flatrate beigebracht. Oft verschwendeten sie das Essen. Dass die Wirte dabei anfingen, Miese zu machen, juckte den Deutschen nicht. Diese nutzen die Gastfreundschaft der Norweger schamlos aus. Die Wirte blieben so lange geduldig, bis es an ihre Substanz ging.

Nach und nach begannen die norwegischen Kneipen- und Restaurantbesitzer die Praxis umzustellen. Gezwungener maßen sozusagen. Sie begannen fortan, jedes Getränk und jede Speise minutiös abzurechnen. Das galt dann für alle, also für Deutsche und Norweger. Hätten die Wirte nur den Deutschen alles korrekt in Rechnung gestellt und den Norwegern nicht, so mussten die Wirte damit rechnen wegen Ungleichbehandlung von den Deutschen erschossen oder geplündert zu werden. Jedenfalls würden sie bestraft.

Seitdem wird bis zum heutigen Tag in Norwegen alles abgerechnet, so wie es auch in Deutschland üblich ist.

Was will ich damit sagen? Die Norweger gaben den Deutschen, wie allen anderen auch, freiwillig ihren kleinen Finger.

Allerdings rissen die Deutschen so viele Arme ab, dass seitdem kein norwegischer Wirt mehr einen Finger umsonst rührt. Absolut jede Kleinigkeit muss bezahlt werden. Wer sowas mal noch erleben will, wie es früher mal war, der muss heute nach Schweden fahren. Da gibt es zumindest noch den Kaffee umsonst, denn die Wehrmacht war dort nur auf Durchreise.

Das Böse kennt seinesgleichen. Oder besser gesagt, die Deutschen kennen sich selbst und damit ihre Kultur und Gesellschaft. Auf das Internet und speziell auf das Bloggen übertragen ist dies fatal. Dazu muss man nicht den zweiten Weltkrieg erlebt haben. Es reicht schon, einen Blog in deutscher Sprache zu eröffnen. Oder eine Kneipe…

[Tip: Einen Gang hoch schalten. Bei einer Kneipe sich rigoros auf die richtigen Gäste ausrichten. Bei einem Blog für die Fans (gewünschte Leser) bloggen. Und nicht für Konkurrenten, andere Blogger, die dasselbe in Grün schreiben oder deren Leser. — Egal, ob die Besucherzahlen gerade durch die Decke schießen oder nicht. Damit gebe ich sowohl dir als auch mir selbst heute einen Tip.]

Was ich früher so trieb

Als ich vor Jahren langsam erwachsen wurde, so Anfang 40, da merkte ich, dass, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe, es kein Zurück mehr gibt. Variationen, Änderungen und Korrekturen wird es geben. Aber kein Zurück.

Einmal Bösewicht, immer Bösewicht

Ich versuchte gewisse Dinge, die ich in anderen Ländern erlebt und gesehen habe (ich habe mir Möglichkeiten gesucht, zeitweise „international zu arbeiten“), hier auszuprobieren. Die enorme Flexibilität und das freie Denken, die ich von woanders her kenne waren hier nicht mehr möglich.

Wenn man ein Unternehmen gründen will, dann wird man in D. schief angeschaut statt unterstützt. Hier ist jeder gegen jeden, hier halten sich die Leute aufgrund einer Art von Futterneid und Willkür gegenseitig klein.

Zudem musste ich mir bei jeder Einreise nach D. wieder diese mürrische Art der deutschen angewöhnen: Nicht jeden freundlich grüßen aber immer anglotzen, Humor vermeiden, da alles wörtlich genommen wird. Auf unauffällige Kleidung, schlechte Frisur und Körpersprache achten (debiler, ernster auftreten, um nicht als bekloppt zu gelten). Und und und. – Was in vielen Ländern als normal angesehen wird, das gilt hier nach wie vor als verrückt und naiv. Und genauso kam ich mir auch vor.

Lange Zeit hatte ich vor, auszuwandern, habe mir Anträge und Formulare dafür besorgt. Doch ich bemerkte schnell, dass ich gewisse Voraussetzungen nicht erfüllte (Prominenz, Qualifikation, Kapital, Verwandtschaft, Alter usw.) Zudem hatte ich nicht nur kein eigenes Geld mehr, sondern auch noch eine Bürgschaft abzustottern, die ich für meinen Vater unterschrieb. Mein Bruder und meine Mutter ebenfalls. (Der Familienbetrieb, ein Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb, den wir für unseren Vater zu retten versuchten ging letztlich mit über 2,5 Millionen Euro Schulden Ende der Neunziger pleite, weil er das Geld wiederholt in undurchsichtige „Geschäfte“ versenkte.)

Du kannst dir sicher vorstellen, dass man bald keine Freunde mehr hat, wenn der eigene Vater (lebt seit 1999 in Moskau) von denen oder deren Familien und Bekannten sich Geld leiht ohne es jemals zurück zu zahlen. Meine deutschen Bekannten und „Freunde“ schrumpften daher auf eine überschaubare Zahl.

Ich verbrachte Jahre, um Deutschland wieder irgendwie ‚toll‘ zu finden, boykottierte aber die einheimischen Medien. Alte Kontakte zu reanimieren gelang mir nicht wirklich, da ich viel Geld verdienen musste. Nicht für mich (siehe oben), sondern für Bürgschaften. Eine Privatinsolvenz kam nicht in Frage, da ich nach deutschem Gesetz dann kein Unternehmen gründen dürfte. Außerdem wollte ich mich nicht über die Familienangelegenheiten aushorchen lassen. Ich begann paradoxerweise von selber aus jeden Kontakt zu vermeiden, der nichts mit Geld verdienen zu tun hatte.

Womit verdiente ich das ganze Geld? Und habe ich es geschafft Schuldenfrei zu werden?

Ich ging aufs Ganze und fing an, als ehemaliger Fleischer (!) Designstudien für die Autoindustrie zu entwerfen. Die Presse war entzückt, die Autobranche weniger.

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Ich brachte mir das Arbeiten mit komplexen Konstruktionssystemen größtenteils selber bei und entwickelte eigene Design-Studien. Ich war 2001 Designer des Jahres und hielt noch im selben Jahr einen Vortrag über die Zukunft des Autodesigns bei einer Industrie-Fachtagung in Los Angeles. Ich arbeitete in Deutschland, Frankreich und den USA. Aber anders als man sich das als Branchenfremder vorstellt.

Statt nun Produkte wie z.B. Autos zu entwerfen, ging ich zum Software-Consulting über. Meine eigenen Prototypen halfen mir dabei Kunden unter den Zulieferern zu gewinnen. Nur dort konnte ich auf pragmatische Weise genug Geld verdienen, um sämtliche Gläubiger und Geier aus zu bezahlen. Als reiner Designer würde ich bis heute darauf warten. (Die wollen, dass man erst einmal umsonst arbeitet. Und als Angestellter braucht man einen akademischen Grad von genau den Universitäten oder Schulen, die von den jeweiligen Konzernen gesponsert werden.)

Es kam schließlich so, dass ich innerhalb von 8 Jahren das gröbste hinter mir hatte und langsam einen Cash Flow generierte, um meine (dadurch entstandenen) laufenden Betriebskosten von ca. €2.800 monatlich zu decken. Auch davon wollte ich weg. Es dauerte nur seine Zeit, da ich Verträge (laufende Aufträge, Software-Leasing, Mieten etc.) hatte und nur nach und nach da raus kam. Systematisch eben. Mein Auto habe ich auch verkauft und mit dem Zigaretten rauchen aufgehört, mich auf ein Minimum an Lebenshaltungskosten reduziert.

Ich wurde zum Leonardo Zweghini, einer Mischung aus Leonardo Da Vinci und Peter Zwegat.

2013 bin ich bei Null angekommen und konnte bisher davon leben, Programme zu übersetzen, Schulungen zu geben und einige Logos für Firmen zu designen. Nur steht der (zeitliche) Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Es ist oftmals Plus minus Null. Und man jagt Aufträgen und Bewerbungsgesprächen hinterher, um keine Leerzeiten zu haben.

Daher wage ich mit dem Klokain-Kartell wieder etwas völlig neues, etwas, das verrückt genug ist, um andere (potentiell) Verrückte ebenfalls Mut zu machen und zu inspirieren. Und vor allem, [vielleicht Dir oder] jemand interessierten zu zeigen, dass Talent und Potential in jedem von uns steckt.

Vor 2 Jahren habe ich mich entschlossen, noch einmal neu anzufangen. Völlig ohne Startkapital, ohne Connections, ohne Banken und ohne Investoren, die einen reinreden. Ich habe meine eigene Zeit statt Geld in mein Konzept und diesen Blog investiert. Es soll Studenten geben, die mehr Geld haben als ich. Auch deshalb konnte, besser musste, ich mir einen Webprogrammierer, Blogger-Kurse, Coachings oder komplexe Marketing-Spielereien sparen. Allein schon zeitlich.

Ich habe dadurch vielleicht weniger Leser, Kommentare und Backlinks in knapp 2 Jahren geschafft als andere Blogs in 2 Monaten. Aber ich habe bessere, individuellere Leser, was dieses Blog zu einem Insider-Tip macht.

Jede Situation kann bewältigt werden. Immer. Womit? Mit Mumm und Ausdauer. Und hin und wieder einer kleinen Kurskorrektur. Aber davon später…

Als wenn Chuck Norris sich coachen lassen würde

Chuck_Norris,_The_Delta_Force_1986
Image by Yoni S.Hamenahem. — Shot at the set of The Delta Force in 1986. — Sourced at W.C.

Ich habe das Thema Online-Coaching schon einmal veralbert. Nichts gegen die Coaches an sich, denn die leben davon, dass andere Erfolg haben. Aber von mir hat kein Coach irgendwas. Zumindest kein Geld. Ich bezahle die nämlich nicht. Die bezahlen mich.

Wie das geht, kann ich kurz erklären. Ein Coach, der sein Geschäft online verrichtet, betreibt gemeinhin auch einen Blog. Zusätzlich schreibt er Bücher und Newsletter und produziert Podcasts, kostenlose Schnupperkurse und Videos. Der Coach bezahlt dafür mit seiner Zeit, er bezahlt seinen Hoster und er bezahlt fürs Marketing – so dass ich davon erfahre. Wenn ich wollte, könnte ich das alles kostenlos bekommen. Ich habe schon ein paar Artikel und ein eBook von einem Coach gelesen. Letzterer hat schon das bezahlt — wofür ich anderswo hätte bezahlen müssen. Das ist ein Fakt und kein Witz.

Nur der Vollständigkeit halber, Chuck Norris hat sich immer coachen lassen. Intensiv und sogar mehrmals. Für die Kampfsportarten, die er sich nicht selbst beibrachte, hatte er koreanische und brasilianische Trainer, also Coaches.

Allerdings, die Kampfsportarten Chun Kuk Do und American Tang Soo Do gab es vor Chuck Norris nicht, die hat er sich selbst beigebracht und dann gab es sie. Das ist kein Witz, sondern Inspiration und Handlung.

Und er hat bei Metro-Goldwyn-Meyer Schauspielkurse belegt. Natürlich mit Schauspiel-Lehrern, die dort Acting Coaches genannt werden. Einer seiner Schauspiel-Lehrer, Jonathan Harris, zwang ihn sogar mit der kompletten Hand (von Harris) im Mund zu sprechen. Auch das ist kein Witz! (Mach das nicht nach. Denn vielleicht hatte J. Harris sehr kleine Hände. Oder – was viel wahrscheinlicher ist – Chuck Norris kann bei Bedarf seinen Unterkiefer ausrenken.)

Jede Erfahrung, die wir machen, jede Überrumpelung, die uns widerfährt, jede Bauchlandung, die wir hinlegen, jedes Erfolgserlebnis, das wir haben, jedes Buch, das uns erleuchtet, jede Reise, die wir antreten und jeder Abend mit Freunden sind unser Coach. Jeden nächsten Schritt gehst du wissend und inspiriert.

Hast du was großes vor, dann ist dein nächster Schritt eine inspirierte Handlung, die sich gewaschen hat. Und zwar so, dass dich sie ihrerseits wieder inspiriert. Diese Wechselwirkung geht in eine derartige Eigendynamik über, dass du bald nicht mehr anders kannst, als erfolgreich zu sein. Am liebsten würde ich das den Chuck-Norris-Effekt nennen, denn es ist nahe an dem, was Münchhausen ‚gemacht‘ hat — sich an den eigenen Haaren aus dem Dreck zu ziehen.

Ach, bevor ich es vergesse, Chuck Norris ist selber ein renomierter Coach und er gibt gern und hilft oft anderen. Neulich hat er sogar Blut gespendet. Er lehnte die Kanüle ab und verlangte statt dessen eine Handfeuerwaffe und zwei Eimer.

Stell dir vor, du wärst an einem anderen Ort mit anderen Menschen aufgewachsen

Was wäre, wenn du einen anderen Namen, einen anderen Geschmack oder eine Weltsicht hättest?

Was wäre, wenn du in einer anderen Zeit, in einem anderen Jahrhundert oder in einer fernen Zukunft leben würdest?

Was wäre, wenn dein Leben wie einen Film oder eine TV-Serie entwickeln könntest?

Was wäre, wenn du ein Alien wärst? Und was für eines?

Wie wäre es, dein aktuelles Leben mal aus einer ungewöhnlichen Perspektive, vielleicht als Bewohner einer armen Gegend der Welt oder von der Position eines Selfmade-Milliardärs aus zu sehen?

Was würdest du Leuten fragen, denen du nichts fragen kannst, weil diese entweder verstorben zu berühmt sind,um an sie ran zu kommen? Gib dir dann selber die Antwort und liegst meist richtig.

Welchen verrückten, absurden Rat würdest du jemand anderen geben, der ein ähnliches Problem zu lösen hat, wie du?

Was würde passieren, wenn du von Chuck Norris eine Bluttransfusion bekämst?

Wenn du lateral (quer) denken willst und ungewöhnliche Lösungen suchst, dann helfen dir solche und ähnliche Fragen.

Gibt es in Deutschland zu wenig Verrückte?

Nein, gibt es nicht. Es gibt nur zu viele hier, die um jeden Preis normal sein wollen. Dieser Preis ist hoch und endet in Unzufriedenheit.

Dort, wo zum Beispiel das Unnormale normal ist, also in Amerika, da kommt das her, was man hier gern bewundert kopiert, abkupfert und mehr schlecht als recht wiederholt.

Es ist nichts falsch daran, bewährtes oder erprobtes zu übernehmen. Aber wenn man kein Gefühl für die Sache hat, den Witz des Originals, also die Idee dahinter nicht versteht oder es nur als reine Handelsware sieht, dann kann man rein gar nichts umsetzen, was von Dauer ist. Kurz: Es fehlt dann entweder richtig viel Geld oder eben das gewisse Etwas.

Und das gewisse Etwas ist immer das Original, der Ursprung oder die Absicht desjenigen, der eine Sache kreiert. Und es ist im wesentlichen, was jeden Erfolg ausmacht. Oder besser gesagt, ihn erzwingt.

Man kann einem Trend hinterher hecheln und immer noch einen drauf setzen.

Beipiel Autos. Die bestehen heutzutage fast alle zu einem Drittel aus Grill. Mehr Premium, mehr Grill. Ganz einfaches Rezept. Die werden von Konzernen gemacht und setzen höchstens noch einen an Geschmackslosigkeit drauf.

Im Fernsehen und Kino dasselbe. Auch da gibt es nur aufgebauschte Handelsware. Also noch mehr Action, Explosionen, Leichen, Blitze, Animationen — ohne Handlungen, Geschichten oder Botschaften. Hauptsache man liefert den dicksten Flash ab, unzwar in einer Art, so dass man die Produktion nicht noch einmal sehen will, muss oder vielleicht sogar soll. Denn der nächste Dampfhammer wartet schon in der Pipeline. Nur noch lauter, noch schriller und noch nervtötender.

Konzerne können sich eine gewisse Distanz zum Kunden erlauben. Denn die gehen davon aus, dass sowieso jeder bei denen kauft.

Jemand, der hingegen etwas neues auf die Beine stellen will, kann und sollte da nicht auch noch mitmachen. Einerseits gibt schon genug Müll. Und andererseits hat er damit keine wirkliche Besonderheit anzubieten, weshalb man gerade bei ihm kaufen soll. Wenn so jemand daran scheitert oder pleite geht, erklärt sich die Sache von selbst.

Am Anfang sollte immer eine eigene Absicht stehen. Inspiriert darf sie sein. Aber bitte keine schlechte Kopie von etwas, dass bereits im selben Markt schon vorhanden und bekannt ist.

Und die eigene Absicht kommt aus der eigenen Spinnerei, ureigenen Fantasien und Interessen desjenigen, der verrückt genug ist und das auch weiß. Der mus nur noch Gleichgesinnte suchen (der schwierige Teil), um mit denen dann schließlich seine Verrücktheiten wahr werden zu lassen. So sind seine Verrücktheiten bereits die Verrücktheiten anderer. Und nur mit anderen kann man sie ausleben. Deshalb sieht Erfolg manchmal verrückt aus.