Wenn ich manchmal Leute treffe, von denen ich ausgehe, dass sie älter wären als ich, dann bin ich oft verblüfft, wenn ich erfahre, dass sie noch jung genug sind, um locker mal meine eigene Brut sein zu können. Schreck lass nach.
Erst neulich habe ich bei Bekannten eine Person getroffen – ich vermute, sie war weiblich – die mich verwirrt hat. Optisch ging sie so in Richtung des späten Alice Cooper. Altersmäßig könnte sie meine jüngere Schwester sein. Von ihrer Art her könnte sie schon in ihren letzten Lebensjahren sein. Ihr Stil, ihr aussehen und ihr auftreten harmonierten perfekt zu ihrer inneren Einstellung.
Mal ehrlich, wenn ich mich mit Leuten meines Alters unterhalte, habe ich oft das Gefühl, dass ich denen was getan hätte oder sie mein Mitleid erregen wollen. Die erzählen die selben üblen Geschichten, die ich als Kind nur von geplagten Rentnern kannte. Das Auftreten, der Stil, die Erzählweise, alles ist irgendwie alt. Abgesehen von den Personen selber, die mich am allermeisten damit geschockt haben, dass sie mich erinnerten, in welchem Alter ich bin: deren Alter.
Das für mich schockierende war nicht, dass mir bewusst geworden ist, wie alt ich bereits geworden bin. Sondern wie alt man in meinem Alter schon sein kann. Und mit „alt“ meine ich in diesem Fall nicht unbedingt eine erfahrene, weise oder weltgewandte oder gefestigte Persönlichkeit. Nichts da. Dieses „alt“ geht deutlich in Richtung schwerfälliger alter Sack und vertrocknete alte Schachtel.
Ich selber komme mir nicht so alt vor. Das gibt mir manchmal so ein Vampir-Gefühl, von welchem mich mein Spiegel – zugegebenermaßen – aber wieder zurück holt. Oder es kommt die Frage auf, ob ich jetzt auch so altbacken sein muss. Das heißt, ich müsste, um mich korrekt mit gleichaltrigen zu unterhalten, geistig und mental degenerieren. So viel kann ich gar nicht saufen, um da ran zu kommen.
Ich bring es mal in Danny Glover-Art auf den Punkt. Die meisten in meinem Alter (eigentlich fast alle) fühlen sich schon lange viel ‚zu alt für diesen Scheiß‘. Damit ist der ‚Scheiß‘ gemeint, den ich mache. Das Klokain-Kartell ist aus meiner Sicht natürlich kein Scheiß. Selbst mit all seinen Begleiterscheinungen. Denn ich fange ja täglich bei Null an. Mit jetzt 45.
Auf mich machen andersrum viele „junge“ Leute schon von weitem den Eindruck, dass sie ihr Leben frühzeitig aufgegeben haben. Das sind Leute, für die Opel und VW die Autos bauen, Das Staatsfernsehen den Tatort dreht und Helene Fischer die „Musik“ macht. Also eine Menge. Eine Menge, zu der sie offensichtlich gehören. Nicht du, nicht ich.
Ja, „Opa und Oma“ klingt eigentlich liebenswürdig, so nach Familie. Aber ich habe Opas und Omas getroffen, die eben jünger waren als ich. Teil von deren Familie will ich lieber nicht sein. Da frag ich mich, wie die drauf sein werden, wenn die wirklich alt sind.
Vor Jahrzehnten dachte ich Keith Richards wäre alt. Heute weiß ich, er sah immer nur so aus. Verlebt halt. Aber lieber verlebt als gar nicht gelebt. Im Gegensatz zu fast allen Normalbürgern. Bei denen wird schon frühzeitig rumgeopat. Bis irgendwann der Deckel kracht.
Ewig Kind bleiben ist nicht schlecht, selbst (oder gerade dann) wenn es sich um ein ruppiges, also widerborstiges Kind handelt. Von mir aus kann es Glatze und Falten haben. Jünger und frischer als all die Spießer wirkt es alle Male. Und es wirkt vor allem interessanter.