Teure Kabel verursachen Raumverzerrungen und Zeitsprünge
Es ist unklar, wie manche Preise entstehen. Es gibt Produkte, beispielsweise bei technischem Zubehör, die offenbar aus Mangel an Fantasie der Anbieter in die Höhe schiessen. Frei nach dem Motto „Wenn nur sehr wenige unser Produkt kaufen, dann sollen gefälligst die wenigen, die es doch kaufen gleich für die noch fehlenden Kunden mitbezahlen.“
Laut einiger Rezensionen auf Amazon können lumpige Fernsehkabel sogar Einstein’s Relativitätstheorie überrumpeln. Das ist grandios, denn ich glaub’s langsam auch.
Gut, die Rezensenten machen sich einen Spaß aus den Marsmondpreisen einiger Produkte. Warum? Weil eben das auffälligste der Preis ist. Sonst nichts.
Bestenfalls gibt der Händler (in diesem Fall Amazon) gerade mal die nötigsten technischen Daten an. Und die sind noch spärlicher beschrieben als die von gleichwertigen Billigprodukten. Wollen die bei den teuren Marken was verheimlichen? Oder nur die Kunden nach Erhalt der Ware positiv überraschen?
Vielleicht sitzen an einem bestimmten Kabel die Stecker einfach fester oder halten tatsächlich so lange wie die Garantie dauert. Vielleicht sind die Kabel ein bisschen flexibler und weicher. Vielleicht sehen sie etwas besser aus, falls der Besuch mal neugierig hinter dem Fernseher guckt.
Für Kenner: Abschirmungen bei digitalen Übertragungen per Kabel sind hingegen Blödsinn, denn die Ströme sind viel zu gering, als dass sie andere elektronischen Geräte zu Fehlfunktionen verleiten könnten. Und per Kabel übertragene Digitaldaten selber kann man nicht stören, außer man zieht den Stecker raus.
Aber vielleicht sind es nur die versteckten Lieferkosten, da jeder Grauimport einzeln von Vulcan eingeflogen werden muss. Oder vielleicht sind die nur wasserdicht, für den Fall, dass es in der Wohnstube gelegentlich nieselt, während ich mir 3D-Filme auf Blue-rays anschaue. Heutzutage muss ja auch noch alles schnell gehen. Wieso also das Dach reparieren, wenn ich stattdessen für einen kleinen Aufpreis nur ein wasserdichtes und rostfreies Kabel einstecken brauch.
Und über die Unempfindlichkeit gegenüber EMP-Impulsen steht in der Beschreibung auch nichts, obwohl es bei den Preisen machbar wäre. Das würde sogar Sinn machen, falls auch noch der Blitz durchs offene Dach einschlägt oder der mürrische Nachbar in seinem Garten wieder mal einen Atomtest durchführt. Diese Produkteigenschaften wären bestimmt ganz toll. Nur gelesen habe ich darüber nichts und müsste mich – realistisch gesehen – mit Exklusivität begnügen.
Aber 6.000 Euro für ein 3m HDMI-Kabel ohne weitere Erklärungen wie der Preis zustande kommt? Das können sogar russische Waffenschieber besser, obwohl die das nicht nötig hätten. Die haben seit Monaten schon genug zu tun.
Vielleicht (dieses Wort kommt heute häufig vor) will man ja die Vorzüge dieser Premiumprodukte tatsächlich der Fantasie des Kunden überlassen. Marketing entsteht im Gehirn, oder so ähnlich. Und die Fantasie, die dadurch entsteht bietet in den obigen Fällen einen deutlicheren Mehrwert als nur der reine Nutzwert.
In diesem Fall ist es der Unterhaltungswert. Und zwar für diejenigen, die die Rezensionen lesen und sich einen Ast ablachen. Nicht zu reden vom blanken Spaß, den die Rezensenten offensichtlich haben.
Jetzt mal m Ernst:
Wenn ich so ein Hersteller derartiger Alienprodukte wäre, dann würde ich mir mal die Mühe machen und die wichtigsten Händler (Amazon ist wichtig) mit den dazugehörigen Informationen versorgen. Ist das so schwer? Das kostet doch nicht die Welt. Himmel, Arsch und Zwirn!
Allerdings schätze ich, dass wenn die genau erklären würden, wie „gut“ die Zauberstrippen wirklich sind, dann müssten die Preise um zwei, drei Dezimalstellen zurück korrigiert werden.
Solange das nicht passiert, haben potentielle Kunden ihre eigene Wahrnehmung über das Produkt. Und die beinhaltet jetzt Quantenanomalien, Raumverzerrungen und Zeitsprünge.
Es sind nach wie vor Produkte der Unterhaltungselektronik. Und unterhalten habe ich mich damit prächtig. Auf Amazon.
Und vor allem: ohne einen dieser elektronischen Gartenschläuche jemals angeschlossen zu haben.