Nochmal 30 Jahre jünger sein — Teil 2 von 3
Ein 56-jähriger Bekannter sagte mir neulich, dass er ganz gerne nochmal 30 Jahre jünger wäre. Aber mit dem Wissensstand von heute. Das klingt zuerst plausibel und nachvollziehbar. Aber auch bedauerlich. Zudem wäre es nutzlos, selbst wenn dies wie in einem Hollywood-Film funktionieren würde.
Diese Woche spiele ich ein fiktives Gedankenspiel, eine kleine Geschichte als Dreiteiler, die ich mal experimentell eskalieren lasse, nur um zu zeigen, was dann wirklich passieren könnte.
Am Montag [2. Februar 2015] habe ich Teil 1 veröffentlicht, heute am Mittwoch [4. Februar 2015] Teil 2 und am Freitag [6. Februar 2015] gibt’s als Finale dann Teil 3. Mein Bekannter fand die Idee richtig gut, obwohl er dabei nicht so gut weg kommt. Führen wir uns das mal plastisch vor Augen:
Jetzt geht’s weiter mit der Geschichte — Teil 2:
Was bisher geschah, kannst du in Teil 1 erfahren. Steigen wir also jetzt direkt dort wieder ein, wo er, mein Bekannter, mich nach einem Monat wieder besuchen kommt.
Einen Monat später, früh morgens um 8:
Mein Bekannter bimmelt bei mir an der reichlich verzierten Haustüre und meint, er konnte die letzten Nächte nicht so richtig schlafen. Irgendwas stimme nicht….
Er sagt, dass er sich natürlich freue, dass er wieder 26 Jahre jung sei, wieder blitzschnell denken, nächtelang durch feiern und die jungen Frauen im Akkord anbaggern kann. Aber er wirkte so, als ob er es gleichzeitig bedauert.
Er: „Ich glaube, wir haben da was übersehen. Ich war drei Wochen zufrieden und jetzt nicht mehr. Und meine Bekannten sagen, ich wirke jetzt unruhiger als vorher.“
Ich: „Also an mir liegt es nicht, ich habe beim Einrühren des Zaubertranks garantiert nichts übersehen.“
Er: „Ich vermute, ich sollte vielleicht mein gewohntes Leben, wie ich es im alten Körper kannte, einfach weiter führen und mich freuen, als Extra jung und frisch zu sein. Vielleicht habe ich auch etwas zu viel gefeiert.“
Ich: „Ist es nicht das, was du wolltest?“
Er: „Eigentlich nicht, denn ich wollte ja Dinge anders machen oder nochmal neu anfangen. Aber genau das gelingt mir einfach nicht. Trotz meiner neuen Jugendlichkeit.“
Ich: „Ich verstehe. Du bist mit 26 immer noch die gleiche Person, wie kurz zuvor noch mit 56. Das bedeutet, mit dem selben Wissen und Erfahrungen wie als 56-jähriger, was du ja als Vorteil ansiehst. Aber leider auch, und das ist der Haken, mit dem selben Mindset, der selben Einstellung, der selben Denkweise, den selben scheiß Gewohnheiten und der selben Persönlichkeit.“
Er: „Na klar, bin ich innerlich der selbe. Aber wieso bin ich dann so beunruhigt?“
Ich: „Weil du unbewusst weißt, dass du aus dem Vollen schöpfst, anstatt altersweise mit deinen ‚jugendlichen‘ Energien umzugehen. Deswegen bekommst du das Gefühl, die gleichen Fehler noch einmal zu machen.“
Er: „Quatsch! Das kann nicht sein. Ich habe doch nur eine kurze Weile das Jungsein ausgekostet. Seit einer Woche lebe ich aber wieder normal und bodenständig, so wie vorher. Sogar besser, denn ich achte genauer auf meine Gesundheit. Also von daher hätte ich jetzt ehrlich keinen Grund, nervös und schlaflos zu sein.“
Ich: „Doch hast du. Deine Komfortzone ist ja auch die selbe, allerdings nur etwas größer. Zuerst war sie etwas ausgedehnt in Richtung Vergnügen, weil du das Gefühl hattest, etwas nachholen und ausnutzen zu müssen. Das waren Dinge, wo du dir sicher bist, dass du sie kannst: Feiern und Ficken. Aber das, was du nicht weißt, dass du es kannst, das machst du ja weiterhin nicht. Du bist nur physisch jünger, lebst aber in der selben Rolle, wie als 56-jähriger, am selben Ort, in der selben Zeit und in der selben Welt.“
Er: „Wir sollten vielleicht was anderes ausprobieren, als einfach nur jünger zu sein. Denn die Umstände sind ja noch die alten. Ich meine, ich bräuchte eine andere Ausgangsposition.“
Ich frage ihn: „Was willst du jetzt schon wieder? Einfach zurück in deinen alten Körper und auswandern? Oder zur Abwechslung mal 30 Jahre älter sein? Sagen wir so Mitte 80?“
Er: „Was soll das jetzt heißen?“
Ich: „Dass du so klingst, als ob du das willst. Und das schon nach nur einem Monat. Du bedauerst jetzt schon wieder, dass du nicht mehr der ‚Alte‘ bist und als ob bei dir in den letzten vier Wochen alles schlimmer geworden wäre.“
Er: „Nein, das ist es nicht. Ich habe mir nur alles anders vorgestellt.“
Ich: „Dann mach es doch anders! Und zwar jetzt, wo du jung und kräftig bist. Erfahren bist du auch und hast trotzdem dein ganzes Leben wieder vor dir….“
Er. „Mann, verstehst du denn nicht? Ich bin in den selben Umständen gefangen. Die selben Schulden, den selben Job im Nacken (wo die mich jetzt alle komisch angucken), die selben begrenzten Möglichkeiten. Die selbe Alte. Das alles ist doch ein Klotz am Bein. Und mit einem Computer oder Smartphone komme ich auch jetzt nicht klar. Das ist nur was für diejenigen, die in diese Zeit hinein geboren wurden. Ich komme mir blöd vor.“
Ich: „Du bist also jung und blöd. Das war wohl nichts mit dem Wissen von heute.“
Er: „Ja, dieses Wissen hat heutzutage doch jeder! Ich bräuchte einen echten Vorteil als nur körperlich jünger zu sein.“
Ich: „Was schwebt dir denn noch so alles so vor?“
Er: „Ich denke, dass ich als 26-jähriger auch wieder zurück in meine Jugendzeit muss. Direkt ins Jahr 1985. Da hätte ich die richtige Ausgangsposition und wüsste genau, was ich zu tun hätte. Dann hätte ich nicht die Probleme von heute. Alles auf Anfang stellen, und mein heutiges Wissen wäre wirklich ein Vorteil. So habe ich das gemeint!“
Ich: „Da habe ich wohl was falsch verstanden. Also willst du willst auch zurück in deine Vergangenheit und das Wissen und die Erfahrungen von heute mitnehmen?“
Er: „Wie sollte ich sonst all das von Grund auf, also von Anfang an, richtig nutzen können?“
Ich: „Und heute im Jahr 2015 kannst du deinen Erfahrungsschatz mit 26 genauso wenig nutzen wie mit 56, richtig?“
Er: „Exakt.“
Ich sage: „Mann, das hättest du mir gleich sagen sollen.“
Er sagt: „Kannst du da irgendwas machen?“
Ich: „Da verlangst du aber ganz schön viel auf einmal.“
Er. „Aber du kannst, oder?“
Ich: „Naja, diesmal kostet das aber eine Kleinigkeit.“
Er: „Wie viel? Was willst du haben?“
Ich: „Naja….“
Er: „Nun sag schon!“
Ich: „So 30 Mille für den DeLorean, dann nochmal 170 für die Umbaukosten….“
Er: „Ach du Scheiße, so viel hab ich nicht! Nicht mal meine Frau hat so viel!“
Ich: „Kleiner Scherz.“
Er: „Mensch, ich dachte schon….“
Ich: „Vorschlag: Ich will, das du entweder die ersten 500 Blog-Beiträge von klokain-kartell.org auswendig lernst….“
Er: „…auf keinen Fall!!“
Ich: „…oder du lässt dich von 1985 bis 2015 nicht bei mir blicken. Andernfalls fällst du sofort tot um.“
Er: „Mit den zweiten Vorschlag bin ich einverstanden.“
Ich: „Super.“
Er: „Und wann geht’s los mit der Zeitreise?“
Ich: „Den Zaubertrank habe ich zufällig gerade vorbereitet. Hier, trink!“
Der Drink scheint ihm zu schmecken. Und mit einem Knall ist er weg… und mein schöner Maßkrug auch.
Ich öffne die Fenster, damit der Schwefelgeruch abzieht und sehe dabei, wie ein leicht zerbeulter Kleinwagen direkt vor meinem Haus parkt. Ich gehe raus, um den Besuch zu empfangen. Und wer ist es? Mein Bekannter, der jetzt aussieht, als wäre er Ende sechzig. Er ist relativ hager geworden und wirkt deutlich verlebt. Und etwas grau im Gesicht, würde ich sagen. Eine Art Keith Richards mit Haarausfall.
Aber er ist definitiv mein Bekannter. Und er fällt er nicht tot um. – Obwohl er so aussieht. Im Gegenteil. Er wirkt leicht garstig, so als ob er mich gleich tot umfallen sehen will.
Ich vermute, irgendwas ist da wohl schief gelaufen.
Ich frage: „Naa? Wieder da?“
Keine Antwort, er schmeißt seine Zigarette weg, zündet sich die nächste an und hat das Gesicht zur Faust geballt. Komisch, denn ich kannte ihn nur als Nichtraucher.
Ich hake nach: „Was ist los? In welchem Jahr bist du gelandet? Etwa 1970 statt 85?“
In dem Moment, als ich das sage, will er mir – mit Kippe in der Schnauze – an den Kragen.
Eine Frau, die im Auto noch am Steuer sitzt, pfeift ihn zurück: „Schatz, lass es!“
Er beruhigt sich etwas und die Frau steigt aus. Ich hingegen sage erst einmal gar nichts und warte ab.
Dann redet er mit tiefer und ungewohnt rauher Stimme: „Duu!“ (hüstelt) „Du hast… Du hast es gewusst!“
Wie die Sache ausgeht und ob ich, Zauberer Lutzifer Fürst von Finsternis, etwas gewusst habe, erfährst du im letzten, 3. Teil der Geschichte. Bleib dran!