Peinliches Interview mit einem Top-Online-Coach

Ich hatte das seltene Vergnügen, einen echten Top-Online-Coach zu interviewen. Er stand mir Rede und Antwort, allerdings will er – aufgrund der brisanten Aussagen – seinen Namen nicht genannt haben. Hier das exklusive Interview:

KLOKAÍN-KARTELL:  Du bist Online-Coach, bekannter Blogger und ebenso ein erfolgreicher Unternehmer.

Coach:  Und ein Guru. Ich bin nun mal der Dreh- und Angelpunkt für all die kleinen Loser da draußen.

KLOKAÍN-KARTELL:  Ja ja, schon klar. Nur, was macht man in deiner Branche so als Guru?

Coach:  Nichts. Abgesehen von der Imagepflege halt.

KLOKAÍN-KARTELL:  Das ist alles?

Coach:  Nein, nicht wirklich. Ich gehe zum Beispiel jede Woche in den Schönheits-Salon, täglich zum Frisör, zweimal wöchentlich zur Massage und in den Fitness-Club. Dazu kommen noch die Shopping-Touren durch Nobel-Boutiquen. Aber das entscheide ich aus dem Bauch heraus. Man muss halt immer gut ausschauen wenn man so prominent ist wie ich. Mal unter uns: Wer hässlich ist, dem kauft doch kein Schwein was ab. Da kann das Angebot noch so gut sein. Wird halt nix, gelle.

KLOKAÍN-KARTELL:  Ja kenn ich. Aber da gibt es doch bestimmt noch mehr zu tun. Deine wirklich hervorragenden Blog-Inhalte, die vielen guten Rezensionen, dein überzeugendes Angebot an Kursen, die bereits Preise gewonnen haben und bei vielen scheinbar gut ankommen. Außerdem bist du zum dritten Mal in Folge zum „Verantwortungsvollen Unternehmer des Jahres“ gekürt worden.

Coach:  Ach die Inhalte und Kursunterlagen. Hübsch nicht? Und das mit dem Unternehmerpreis, nun ja, die können nicht ohne mich. In der Wirtschaft heißt es, je mehr Kohle du scheffelst, desto mehr Preise bekommst du verliehen. Und das, obwohl du glatt das Gegenteil dessen tust, was der Preis eigentlich aussagt. Außerdem hat mir meine Oma immer gesagt, dass je mehr Geld du machst, umso freundlicher grüßen die Leute. Wie ich das Geld mache, spielt daher keine Rolle.

KLOKAÍN-KARTELL:  Aber du hast doch bestimmt selber viel Zeit und Arbeit in deinen letztendlichen Erfolg investiert und dein Geld ehrlich verdient?

Coach:  Nicht meine Zeit, nicht meine Arbeit aber sehr wohl mein Geld. Bei meinen Produkten steht mein Name drauf, ja. Aber das ist alles nur aus dem amerikanischen übersetzt. Ich weiß ja nichtmal, was da genau drin steht. Das habe ich von einem Assi für 50 Mäuse anpassen lassen, mit Namen und so. Somit sieht es aus, als wäre alles von mir. Das geht ruckzuck.

KLOKAÍN-KARTELL:  Aber die Coachings gibst du doch selber? Die ganzen Referenzen und Lobeshymnen sprechen jedenfalls für deine Kompetenz.

Coach:  Die Referenzen, auch Testimonials genannt, ja die habe ich wirklich selber geschrieben. Ein bisschen muss ich halt doch noch tun. Haha.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wie? Du hast deine eigenen Referenzen geschrieben? Aber wer sind dann die auf deiner Website abgebildeten zufriedenen Klienten oder Teilnehmer deiner Coachings?

Coach:  Das sind Sozialfälle, die geben ihr Einverständnis für 20 Euro, dass ich sie online abbilden darf. Abgesehen von der einen älteren Frau dort, das ist meine an Demenz erkranke Großtante. Die unterschreibt alles, was ich ihr hinlege. Ich bin ja so dankbar, dass ich sie hab.

KLOKAÍN-KARTELL:  Heißt das, du gibst gar keine Coachings?

Coach:  Das ist korrekt.

KLOKAÍN-KARTELL:  Und wieso bewirbst diese dann?

Coach:  Die sind äußerst wichtig fürs Image, also für meine Glaubwürdigkeit. Wenn die Leute lesen, dass Menschen positive Erfahrungen mit mir gemacht haben, dann kaufen die auch meine Fertig-Kurse aus der Konserve. Die gibt’s im Paket mit vielen Features…

KLOKAÍN-KARTELL:  …halt, warte mal. Du warst nachweislich mehrmals in den USA und hast dort an Profi-Coaching-Coachings, wie „Coaching the Coaches“ teilgenommen, um selber als Coach gut coachen zu können.

Coach:  Da war ich wie jedes Jahr nur im Urlaub. Interessehalber habe ich durch einen Betthasen kostenlos an einer Seminar-Reihe teilgenommen, die nach dem Vampir-Prinzip lehrt. Jeder, den ein Vampir beißt, der wird ebenfalls zum Vampir. Jeden, den du coachst, der wird wird ebenfalls zum Coach. Das fand ich ganz reizvoll.

KLOKAÍN-KARTELL:  Und was macht man da genau? Was lernt man dort?

Coach:  Du lernst, wie du die Leute zu deines gleichen machst, indem du vorgibst, als Coach die frohe Botschaft zu kennen.

KLOKAÍN-KARTELL:  Und welche Botschaft ist das?

Coach:  Die lautet: „Auch du musst Coach werden!“ Alle müssen Coach werden wollen. Allerdings muss man aufpassen, dass sie nie ganz so gut werden wie du, um die Illusion aufrecht zu erhalten. Die Leute müssen dich sehen und dann so sein wollen wie du. Cool, erfolgreich, weise, allwissend, göttlich, gesegnet mit Beinahe-Telepathie. Und das als Kopie.

KLOKAÍN-KARTELL:  Was sind das eigentlich für Leute, die diese Seminare in den USA geben? Wie muss ich mir die vorstellen? Etwa als Überväter oder „Mega-Coaches“?

Coach:  Überhaupt nicht. Das sind typische Amerikaner halt. Religionsoptimierer, Schauspiellehrer und Marktpsychologen aus der Zigarettenindustrie. Die kennen sich eben aus.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wow. Das ist erhellend! Das hätte ich nicht gedacht!

Coach:  Cool, nicht wahr? Von den Amerikanern lernen heißt verkaufen lernen.

KLOKAÍN-KARTELL:  Also geht es letzten Endes nur ums Verkaufen können.

Coach:  Guten Morgen! Jetzt hast du es kapiert. Du musst nur richtig quatschen können, die Leute um den Finger wickeln. Diese Fähigkeiten haben einige, so wie ich, von Geburt an. Man muss sie dann nur noch kultivieren.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wie kannst du da noch ruhig schlafen?

Coach:  Während meiner Studienzeit in Palermo hat mir mein Sizilianischer Mentor immer gesagt: Geld zu zählen kann viele Stunden Schlaf ersetzen. Wenn man viel Geld hat, ist schlafen eher gefährlich.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wo lebst du momentan, also von wo aus betreibst du dein Business? Auch aus dem Ausland?

Coach:  Nein, ich arbeite und wohne weiterhin hier.

KLOKAÍN-KARTELL:  Das überrascht mich. Du bist tatsächlich noch in Deutschland?

Coach:  Ja, ich bekenne mich zum Standort Deutschland!

KLOKAÍN-KARTELL:  Was machst du hauptberuflich. ober besser gefragt, womit hast du dein Geld verdient, als dein Online-Business noch in den Anfängen war?

Coach:  Das selbe, wie heute.

KLOKAÍN-KARTELL:  Und was ist das?

Coach:  Ich bin Beamter.

KLOKAÍN-KARTELL:  Was? Immer noch?

Coach:  Natürlich, was denn sonst. Bekloppt bin ich nicht. Mit welchem Stress-Job in der freien Wirtschaft hätte ich denn das alles stemmen können?

KLOKAÍN-KARTELL: Wissen deine Kunden und Anhänger davon?

Coach:  Nein, die wissen überhaupt nichts von mir. Ich habe ja nicht einmal eine offizielle Adresse, kein Impressum, gar nichts. Der Mythos lebt.

KLOKAÍN-KARTELL:  Kooperierst du oder vernetzt du dich auch mit Kollegen oder anderen Bloggern?

Coach:  Ich nicht, das machen die anderen schon von alleine. Als Guru muss ich selber gar nichts tun.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wie muss ich mir das vorstellen? Schreibt dich dann jemand an?

Coach:  Hach, ich bekomme eine gefühlte Million Emails am Tag! Und um eine zu öffnen, da muss schon in der Betreffzeile stehen, dass er mir in den Arsch kriechen will. Und wenn ich zum Beispiel darum gebeten werde, in einer Art Blogparade mitzumachen, dann tue ich das, indem ich zum Thema ganz was anderes schreibe, am liebsten über Papier, und besonders gerne über Banknoten wie sie sich in meinen Händen anfühlen, gerade, wenn sie frisch gedruckt sind. Dann verlinke ich nur meine eigenen Produkte und den Urheber dieser Aktion erwähne erst gar nicht. Der wiederum muss mich aber verlinken.

KLOKAÍN-KARTELL:  Wieso muss der dich verlinken?

Coach:  Weil ich so toll bin.

KLOKAÍN-KARTELL:  Das heißt, du nimmst gern, aber gibst nichts zurück. Ist das nicht ein bisschen selbstsüchtig?

Coach:  So läuft es eben. Es sind doch die Leute, die nach mir süchtig sind und nicht ich. Da kann man mal Opfer verlangen.

KLOKAÍN-KARTELL:  Tun tust aber du, als ob selber genau da praktizierst, wie du anderen rätst.

Coach:  Was? Was ist das denn für ein Satzbau? Schon mal was von Korrekturlesen gehört? Ich dachte, dieses Interview ist auf Deutsch.

KLOKAÍN-KARTELL:  Ich meinte, du tust aber so, als ob du selber genau das praktizierst, wozu du anderen rätst.

Coach:  Ich bin doch kein Ratgeber, sondern Guru. Und ich habe nie behauptet, dass ich das selber mit dem „Geben“ so praktiziere. Außerdem habe ich Leute, die das für mich schreiben. Meistens jedenfalls. Und meistens kostenlos, denn die bezahle ich doch nicht. Da kann ich doch nichts dafür, dass die sowas naives fordern. Und wundern braucht man sich da ja nun auch nicht darüber.

KLOKAÍN-KARTELL:  Bei dir wundere ich mich jetzt über gar nichts mehr.

Coach:  Na also. Mit Rumwundern kann man nämlich kein Geld verdienen.

KLOKAÍN-KARTELL:  Du meinst abzocken.

Coach:  Das ist so ein unschönes Wort. Nennen wir es lieber ‚transferieren‘. Mann, verstehst du überhaupt was vom Geschäft? Kein Wunder, dass es bei dir nicht läuft!

KLOKAÍN-KARTELL:  Was „nicht läuft“?

Coach:  Na dein Klokain-Zeugs! Was und wo ist das überhaupt? Auf deiner Website oder Blog kann ich nichts finden. Du wurschtelst hier seit Monaten rum und was ist? Nada! Und wie es aussieht, gehen dir deine Weisheiten für Beiträge mit Mehrwert auch langsam zur Neige. Und dann dieser „Bösewicht“. Machst du hier einen auf Putin, oder was?

KLOKAÍN-KARTELL:  Vorsicht, Freundchen! Und erkläre du mir nichts über Mehrwert!

Coach:  Oh, da hab ich wohl einen Nerv getroffen?

KLOKAÍN-KARTELL:  Können wir wieder zurück zum Thema kommen?

Coach:  Komm, mach schnell, ich bin wichtig und hab nicht mehr viel Zeit.

KLOKAÍN-KARTELL:  O.K., letzte Frage: Bist du ein Mann oder eine Frau?

Coach:  Was soll ich mit so einseitigen Festlegungen. Ich bin das, was der Kunde oder Leser will. Ich habe da mehrere Angebote zu laufen. Als Mann, als Frau und als Mannfrau. Man will’s halt jeden recht machen, gell?

KLOKAÍN-KARTELL:  Eine Frage habe ich doch noch.

Coach:  Wenn’s sein muss. Mach schnell.

KLOKAÍN-KARTELL:  Worauf sollte deiner Meinung nach unbedingt jeder Blogger achten.

Coach:  Auf die Statistiken. Die sind wie Sex oder Geld zählen. Wenn sie hoch genug und nicht mehr manipuliert sind, dann reibe sie deinen Lesern und besonders deinen Kollegen unter die Nase. Das schmettert die nieder. Damit zeigst du, wo der Hammer hä…

KLOKAÍN-KARTELL:  …Coach, vielen Dank für das Gespräch.

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