Gefundene Schätze sind selten viel wert

Jemand entdeckt beim Entrümpeln auf Oma’s Dachboden eine verstaubte Pulle Jim Beam White Label. Der selbe Stoff, den man zu jeder Zeit – also auch jetzt, morgen und sowieso immer – in allen Supermärkten für 9,99 oder so bekommen kann. Massenware halt, nur etwas angestaubt. (Whiskey und Whisky altern nicht in Flaschen, sondern in Eichenfässern.)

Yawning. — Copyright by Charles Lam.

Der Finder verhält sich wie eine Elster, die als einzige ein Stück zerknüllte Alufolie im Schnabel hat.

Er geht in diverse Fach-Foren für Liebhaber edler Tropfen und erntet Spott und Häme, weil er dort nach dem Wert fragt und dann erfährt, dass er nicht das hat, was er zu haben glaubte. Da hätte er genauso gut mit einem 20 Jahre alten Opel in Pebble Beach vorfahren können.

Ein freiberuflicher Designer bekommt eine Nachricht von einem namhaften Unternehmen, dass ihm bei einem Projekt dabei haben will, von dem er schon immer geträumt hat und das für ihn einen immensen Karrieresprung bedeuten könnte.

Die Verträge werden tatsächlich gemacht, der Designer steigt bei dem Projekt ein und merkt nach ein paar Tagen, dass er – sofern er das Projekt durchhält – abgezockt , ausgenutzt und als Sündenbock herhalten wird.

Und wirklich Geld verdienen tut er auch nicht, denn das ist abhängig von anderen Faktoren, die er weder vorausgesehen hat noch beeinflussen kann. Er merkt sehr schnell, dass er im „falschen Film“ gelandet ist.

Du hast sicher schon vom Lottogewinner gehört, der nach nicht all zu langer Zeit finanziell schlechter da steht als vor dem Gewinn. Er hat nichts aufgebaut und vertraut daher anderen anstatt sich selbst. Er hatte schlicht keine Erfahrung mit dieser Situation. Er wurde überrumpelt, überfordert und vom plötzlichen Reichtum komplett paralysiert. Das Geld wurde zur Droge. Und Drogen bedeuten Kontrollverlust.

Gewinne verrinnen, weil das eigentliche Leben aus den Fugen gerät. Und günstige Gelegenheiten sind nicht viel besser, sie sind oft nur Ablenkungen vom eigentlichen Ziel. Die sind ähnlich wie gefundene Schätze, nicht nur relativ wenig wert, sondern häufig schon daran zu erkennen, dass sie zu schön sind, um wahr zu sein.

Wat nu? Anstatt auf Gelegenheiten zu reagieren oder auf Schätze zu hoffen, was auf Fremdbestimmung hinaus geht, haben wir die Möglichkeit das Gegenteil dessen zu tun, was Frau Elster & Co. hier getan haben.

Beobachte die Welt um dich herum, mache dir ein Bild, treffe daraufhin deine Entscheidungen und dann setze sie rigoros um. Kreiere das, was fehlt. Mache das Schöne doch selber wahr. Du musst auch keinen extra Schatz für dein Wohlergehen finden. Du besitzt bereits einen. Du musst dich nur trauen, die Kiste zu öffnen. Ach ja, hier sind die Schlüssel (passen alle):

Deine Fantasie. Deine Interessen. Deine Macken. — Und… nichts verstecken. – Such dir Leute, mit denen du es teilen kannst. Mehr teilen = mehr Wohlergehen. Ich gehe jetzt die Elstern beobachten, wie sie sich um dreckige Alufolie zanken.