Wie sich stationäre Händler ihren eigenen Ast absägen

Persönliche Empfehlungen sind viel wert. Besonders, wenn es um viel Geld geht. Deshalb sollte man sie nur mit Bedacht geben. Es könnte nämlich auch passieren, dass der Empfohlene die Empfehlung nicht nur nicht wert ist. Sondern, dass er eindrucksvoll das exakte Gegenteil demonstriert, weil er sich für schlauer als seine Kunden und seine Empfehler hält.

Erst vor kurzem empfahl ich einer Verwandten, die ihre Wohnung nach einer Totalrenovierung neu einrichten wollte, das Möbelhaus eines Bekannten.

Ich hatte immer gute Erfahrungen im Hause meines Bekannten gemacht und den Inhaber kenne ich seit Jahrzehnten. Ich würde eigentlich nie woanders kaufen. Der besagte Möbelhändler ist zwar etwas teuer, aber sein Service stimmt und man wird freundlich und respektvoll behandelt. Kurz, man bekommt Qualität und erspart sich Ärger. – Bisher.

So riet ich meiner Verwandten, dort ihre gesamte Einrichtung zu kaufen.

Weil sie mir vertraute und sich damit auf meine Empfehlung zu 100% verlassen hatte, tat sie dies. Sie, allein lebend, bestellte alles mit Komplettmontage, bezahlte im Voraus und lies sich die Rechnung mit dem Vermerk „Bezahlt“ geben.

Was ist dann passiert?

Der vereinbarte Liefertermin, zwei Wochen später, wurde nicht genau eingehalten, obwohl die bestellte Ware – wie sich später herausstellte – pünktlich beim Händler und fertig zum Abtransport zur nur 2 Kilometer entfernt wohnenden Kundin war. 10:00 Uhr Vormittags sollte alles geliefert werden. Aber es kam niemand, nicht mal ein Anruf.

Meine Verwandte, die sich an besagten Vormittag der Lieferung unbezahlt frei genommen hatte, wartete geduldig bis 12:45, denn eine halbe Stunde später hätte sie wieder auf ihrer Arbeit erscheinen müssen.

Sie rief im Möbelhaus an, ob es Probleme mit der Lieferung gebe. Die Verkäuferin sagte, der LKW fuhr „eben gerade los“, die Lieferung sei also Unterwegs. Noch während des Anrufs stand dann auch schon der LKW vor der Haustür. Den Anruf hätte sie sich sparen können. Meine Verwandte musste jetzt aber ihren Chef anrufen, dass sie wohl 2 Stunden später komme als vereinbart. Ihr Chef wiederum gab ihr gleich den Rest des Tages frei. Unbezahlt.

Die beiden Lieferanten des Möbelhauses brachten die Möbel zu ihr ins Haus, bauten nur das Bett auf, holten eine unbezahlte Rechnung heraus und verlangten die sofortige Bezahlung in Bar. Danach wollten sie schnell wieder los, mit der Begründung, dass nur die Montage des Bettes vereinbart worden sei. Der Rest der Möbel nicht.

Meine Verwandte nahm die bezahlte Rechnung in die Hand, die ja zudem noch die Komplettmontage aller Möbel beinhaltete und bestand darauf, dass alles samt kompletter Montage bereits bezahlt sei und demnach auch die restlichen Möbel aufgestellt werden müssten. Der eine Fahrer, ein großer stämmiger Typ, wurde schlagartig ausfallend und belehrte die Kundin, dass sie das nicht zu bestimmen hätte.

Diskutieren brachte nichts, denn dieser Fahrer sagte, dass hätte der Chef (der Inhaber des Möbelhauses) noch direkt vor der Abfahrt ausdrücklich so angeordnet, da könne er nichts machen. Der andere, kleine und schmächtige Fahrer nickte.

Meine Verwandte widersprach und bat die Fahrer noch so lange zu warten, bis sie das schnell telefonisch geklärt hat.

Sie rief im Möbelhaus an und verlangte den Inhaber, da er ihr die Möbel ja persönlich verkaufte. Die Verkäuferin (diesmal eine andere) sagte, der Chef sei zwar nicht im Hause, aber sie bestätigt, dass alles bezahlt sei plus seiner ausdrücklichen Anweisung, nur das Bett aufzustellen. Meine Verwandte lies nicht locker und pochte auf die ebenfalls bereits bezahlte Komplettmontage.

Daraufhin kontrollierte die Mitarbeiterin (noch am Telefon) die Rechnung samt Computereintrag, bemerkte nach einigen Minuten dann doch den „Irrtum des Inhabers“ und verlangte einen der Fahrer zu sprechen, um ihn die Anweisung zur sofortigen Montage auch der restlichen Möbel zu geben.

Exakt zur gleichen Zeit kam der große kräftige Fahrer – jetzt katzenfreundlich – ins Wohnzimmer und sagte, er habe selber gerade „mit der Buchhaltung“ telefoniert, welche ihm – oh Wunder – ebenfalls die neue Anweisung gab, sämtliche Möbel nun doch zu montieren. Dieser Fahrer gab die Anweisung gleich an den kleinen schmächtigen Fahrer weiter, während der stramme Rüpel sich selber in den LKW zurück kroch und irgendwas las. (Der wollte wohl weiterhin nichts mit der Sache zu tun haben. Oder er hatte keine Lust zu arbeiten.) So dauerte alles erheblich länger, da nur ein kleiner schmächtiger Mann alles allein aufbaute.

Als sämtliche Möbel irgendwann fertig montiert waren, fiel auf, das alles schief und krumm war. Alles wackelte, klemmte und kippelte. Lackfehler waren außerdem zu erkennen. Das einzige, was optisch in Ordnung war, war das zuvor bereits montierte Bett. (Nach der ersten Nacht stellte sich heraus, dass man sich darin nicht bewegen dürfte, weil es sonst so laute Knarzgeräusche von sich gab, mit denen man glatt Einbrecher verjagen oder die Nachbarn aufwecken könnte.)

Kurz, Die komplette Lieferung war B-Ware zum Preis von Premiumprodukten. Und das erkennt ein Kunde erst, nachdem sie – mehr oder weniger – fachgerecht montiert wurde.

Der große stramme Fahrer kam jetzt zurück aus dem LKW und sagte, dass sie nun endlich mal los müssten. Als aber meine Verwandte die deutlich erkennbaren Qualitätsmängel monierte, sagte dieser Kraft-Fahrer, dass die sich mit der Zeit schon noch „einwohnen“, es nur eine Weile benutzt werden müsse und Lackfehler könne er auch keine erkennen.

Der kleine hagere Fahrer erkannte zwar die Fehler, zuckte jedoch nur mit den Schultern. Die Möbel seien nun mal so. Die seien alle so. Und so fuhren sie von dannen.

Fazit: Um einen Bekannten (der Inhaber des Möbelhauses) einen Gefallen zu tun, empfahl ich diesen jemanden aus meiner näheren Verwandtschaft. Aber der Möbelhändler brüskierte mich damit, dass er meine Verwandte – die woanders qualitativ bessere Ware viel billiger hätte haben können – daraufhin glatt verarschte, für dumm verkaufte und mich in gewisser Weise gleich mit.

Mein Fehler war, dass ich mich der guten alten Zeiten wegen habe blenden lassen und mir nichts weiter dabei gedacht habe, als ich mal erfuhr, dass bereits schon drei seiner Möbelhäuser abgebrannt sind. Kann ja (drei) mal vorkommen. Aber dennoch, ich habe meinen Bekannten vertraut. Weil wir uns kennen. Und er hat dieses Vertrauen und die Bekanntschaft missbraucht. Und zwar nach Strich und Faden.

Auf Kosten des Kunden eigene Versäumnisse und ein schlechtes Management zu kaschieren, das scheint in unserer Gegend hier die Norm zu sein. Leider machen es viele so. Es gab und gibt Vertragswerkstätten, die bei einigen Kunden alte Gebrauchtteile in deren neuwertige Autos einbauen, die in Ordnung sind und nur zur Durchsicht oder zum Ölwechsel zum Service müssen.

Ich kannte einen Computerservice, der nur ein Programm auf einen bei ihm gekauften Rechner installieren sollte. Das tat er. Bei sich, vor Ort. Aber der Computer hatte danach statt der werksseitigen 1024MB Arbeitsspeicher nur noch 128MB zur Verfügung. (Der Laden ging kurz danach pleite.)

Für die Händler, die ihr Geschäft nicht, wie die oben genannten (ungenannten) Beispiele auf Sand bauen wollen, empfehle daher etwas ganz anderes. Vielleicht mal, das Gegenteil dessen zu tun, was sie sonst so tun: Mehr, besser und zuverlässiger zu liefern als vereinbart wurde und die Kunden zu entzücken, zu verblüffen, zu überraschen.

Ja ja, das kostet kurz- und mittelfristig Einnahmen. Und nicht zu knapp. Und es macht mehr Arbeit… aber es bringt langfristig weitere Kunden, viel bessere Geschäftsaussichten und weniger Ärger. Und dann brennt es vielleicht auch nicht so oft..

Ich habe hier keine Namen genannt, da einiges entweder Jahre her ist oder hinterher wieder gut gemacht wurde. Aber wie gesagt, solche Dinge passieren ständig. Hier wird kurzfristig Ärger produziert, um langfristig Probleme zu bekommen. Denn manche „Unternehmerpersönlichkeiten“ tun sich in ihrem Geschäft besonders schwer, weil sie es sich leicht machen und einfach beim Kunden sparen. Die sägen sich den Ast ab, auf dem sie sitzen.

Wer einen Unterschied machen will, die Konkurrenz lädt einem ja förmlich dazu ein. Aber langfristig kann heute anscheinend keiner mehr denken. Und Kunden können ebenso langfristig keinem mehr vertrauen. Die Branche spielt hier keine Rolle. Und keiner hat ein Monopol oder eine sonderlich große Marktmacht. Die meisten verhalten sich aber so. Das ironische dabei ist, dass nur das gegenteilige Verhalten zu einer großen Marktmacht führen kann.

Das deprimierende an der Sache ist, dass sich viele Geschäftsleute sich weiterhin unberührt von ihrer eigenen Verantwortung fühlen. Dann wird halt gejammert.

Unser Möbelhändler hier ist – wie schon gesagt – keine Ausnahme, er ist die Regel. Und wer diese Regel bricht, der hat irgendwann keine Konkurrenten mehr. Warum? Weil er sie langsam kaputt macht, indem er seine Kunden besser behandelt. Er hebt den abgesägten Ast auf und pflanzt ihn in seinem langsam gewachsenen, aber eigenem, kräftig genährten Baum ein. – Dieser könnte auch sehr weit entfernt stehen. Vielleicht im Internet. Das ist der Ort, wo die eigene Wohnung mit einer App zum Showroom wird.