Wie lustig darfst Du in Deutschland sein?

Es ist noch ein paar Tage gutes Wetter, das Fenster ist angekippt und du trinkst viel. Vielleicht sogar Limonade, Cola oder was saftartiges. Das ist Nervenfutter und daher mal erlaubt. Nach einer Weile wird es dir unbehaglich, da Wespen nicht offiziell fragen, ob sie rein dürfen. Die betrachten allein das Leergut schon als Einladung. Daher willst du es loswerden.

Eine Stunde später stehst du am Leergutautomaten im Supermarkt und hast den ganzen Einkaufswagen voll mit leeren Dosen und Plastikflaschen, die du nach Wochen der Zwischenlagerung loswerden, sprich ‚recyceln‘  willst. Idealerweise noch bevor die Wespen das übernehmen und zeigen, was sie drauf haben, indem sie daraus ein schönes Nest bauen.

Während du geduldig jede Pulle und jede Büchse einzeln in den Automaten schiebst, merkst du, wie die Warteschlange hinter dir länger wird and allmählich anfängt zu zischeln. Du glaubst zu hören, wie jemand sagt: „…kann ja mal auf’n Knopf drücken und erstmal die andern vor lassen…“. — also ‚ihn‘.

Da wirst du zum Engländer, denn Vorlassen gibt’s nicht. Wieder glaubst du Worte zu hören, wie „…mann, mann, mann   …nich’n janz’n Taaach Zeit hier…“. Diesmal von einer jungen weiblichen Stimme.

Jetzt fühlst du dich herausgefordert und wirst zum Amerikaner, drehst dich freundlich um und sagst charmant lächelnd:

„Sorry, ich hab‘ gerade ’ne Glückssträhne“. – So wie das Charlie Sheen tun würde. Statt entspannte Lacher zu hören siehst du hübsche, aber todernste Frauengesichter, die deshalb 27 Jahre älter wirken als sie eigentlich sind.

Mal im Ernst, mit Witz oder gar Humor ist es in Deutschland nicht weit her. Lustiges wird häufig gar nicht verstanden und als solches wahr genommen. Und Humor wird oft mit Albernheit verwechselt.

Die Leute sind Witz und Humor einfach nicht gewohnt, weil sie oft durch anerzogene Strenge und Anspannung in jeder Situation Regeln befolgen und das auch genauso von anderen erwarten. Da bleibt kein Platz mehr für Entspannung.

Die Deutschen nehmen sich selber viel zu ernst und meinen mit Unnachgiebigkeit Dinge zu ihrem Vorteil verändern zu können oder zu müssen. Dazu passt, dass sich kein Deutscher gern selbst auf die Schippe nimmt. Auch das könnte falsch, also wörtlich verstanden werden. Dann wahrt man lieber sein ernstes Gesicht.

Als Ausgleich lacht oder schimpft man über andere, völlig abhängig vom persönlichem Bezug zur Situation.

Hätte jemand in der Leere-Flaschen-und-Dosen-Schlange den Mumm gehabt, dich freundlich (oder gewitzt) zu fragen, ob er, sie oder es (?) vorgelassen werden könnte — da er, sie oder es sehr eilig hat. Du hättest dieser Person sicher den Gefallen getan. Statt dessen wird gegrunzt und gemurmelt. Aber sehe es doch so: Wenigstens du hattest deinen Spaß.

Zurück zum Supermarkt um die Ecke:

Langsam hast du es geschafft und bist alles los. Und obwohl du fertig bist, den Leergut-Bon ziehst und direkt wieder in die Zuckerwasserabteilung gehen willst, siehst du, dass die Leute, die erst ungeduldig hinter dir warteten, es auf einmal nicht mehr ganz so eilig haben. Die verschwinden alle im Labyrinth der Warenregale. Und das alle gleichzeitig?

Du bist verwundert und checkst mit einem kurzen Blick noch mal den Automaten. Der ist zwar betriebsbereit. Aber du kapierst, dass es doch noch ein Weilchen dauern wird, bis auch die letzte Wespe den Weg da raus gefunden hat.