Der Stein

Irgendwie ist es öde. Wenn ich Politiker höre und sehe, Presseartikel lese, auf Facebook oder Twitter gehe oder den Fernseher einschalte, um ihn nach 4½ Minuten wieder aus zu machen, dann kommt es mir so belanglos vor, als ob ich doch gleich irgendwo einen grauen Stein anstarren könnte.

Gesagt, getan.

Ich ging hinaus ins freie, was ungewöhnlich ist, da ich Sonne und frische Luft in der Regel meide. Dort suchte ich den erstbesten Stein. Dabei machte ich die Erfahrung, dass die Farbe Grau nicht so häufig vorkommt. So suchte ich weiter, Hauptsache irgendwie grau und belanglos.

Dann fand ich einen, hob ihn auf und sah ihn an. (Klingt spannend, nicht wahr?) Ich gab mir ein paar Minuten Zeit, um mit ihm (den Stein) eine Beziehung aufzubauen. Ich dachte: „Toll, ein Stein!“

Doch diese Minuten brauchte ich gar nicht, denn der Stein war schneller.

Ich versuchte mich nicht von allem Drumherum ablenken zu lassen. Nur der Stein war wichtig.

Dieser war nicht nur schneller, sondern auch stärker. Je länger ich mich auf den schnöden Stein zu konzentrieren versuchte, umso deutlicher wurden Farben und Formen außen herum. Das obwohl die Umgebung hier nicht sonderlich interessant ist. (Ich war sauber und es war Vormittags, so gegen 15:00 Uhr.)

Der Stein zwang mir lebendige Gedanken auf, obwohl es drumherum nichts gab, außer meine verwunderten Nachbarn. Aber die stören mich nicht, da ich sie nicht kenne.

Kommen wir zurück zum Stein. Dieser war eigentlich derart langweilig, trostlos und nichtssagend, wie zwölf mausgraue VW Passat Variant mit jeweils Alexander Dobrindt am Steuer. Genau dadurch war mein Kopf nun gezwungen eigene Gedanken zu kreieren. Es waren Gedanken jenseits dieses Steins. Einer sinnloser, wie der andere. Dabei bemerkte ich, wie ein Kunstwerk entsteht ohne nachzudenken. Mir kamen Ideen, die rein gar nichts mit dem Stein zu tun hatten.

Kurz darauf ging ich zurück an meinen Schreibtisch und notierte mir ein paar Stichpunkte, um sie später zu verwerten.

Dann beim Aufkommen der Morgendämmerung, kurz vor dem zu Bett gehen, sah ich nochmal all die herrlich sinnlosen Gedanken Revue passieren. Und ich sehnte mich nach den Stein zurück. Ob ich ihn jemals wieder sehe?