Warum eigentlich sollte man überhaupt deutsche Blogs lesen?
Jeder thematisch interessierte Blogger hierzulande, also jeder, der sich selber (weniger andere) inspirieren, was lernen oder klauen will, der liest vorzugsweise auf erfolgreichen amerikanischen Blogs. Ich tue mittlerweile genau das Gegenteil.
So viel ist klar: Es gibt erheblich mehr interessante Blogs auf Englisch als auf Deutsch. Damit meine ich nicht, dass z.B. die amerikanischen Blogger besser oder interessanter wären, sondern dass es deutlich mehr davon gibt. Es gibt für jeden was, ohne Ausnahme.
Auf englischsprachigen Blogs zu schauen macht für einige Sinn, die selber was starten wollen. Man will sehen, wie die das machen. Und man staunt über deren Direktheit und wie authentisch sie geschrieben sind. Trotzdem werden meine Besuche dort immer weniger.
Authentizität brauche ich mir dort nicht zu holen. Wer das allerdings macht, der wirkt selbst bei professioneller und teurer Umsetzung recht stereotyp und aufgesetzt, eben unecht. Aber. Wer die da drüben nicht kennt, der hält die hiesigen Kopien womöglich für echt.
Bei all dem ganzen digitalen Jahrmarktsgeschrei ist es anstrengend, dort im gleichen Ton mit zu schreien. Dann gehe ich dahin, wo einige Leute sind, die mir wichtig sind, denn ich will nichts über den großen Teich verkaufen. Ich will meine Leute sehen, treffen und hier lesen und dann schreiben. Ich will die Befindlichkeiten hier wahrnehmen und dann darauf antworten. So erfahre ich mehr relevantes als von Megablogs made in U.S.A for the U.S.A.
Dass man einiges von den aus hiesiger Sicht durchgeknallten Yankees lernen kann steht außer Frage. Die haben sowohl einen Pioniergeist, den es hier nicht gibt als auch eine gut organisierte Verrücktheit, die im strengen Deutschland zwar Bewunderung auslöst. Mehr aber auch nicht.
Eine weitere Erkenntnis war, dass man sich vor allem In Deutschland kaum traut seine innere Sau raus zu lassen. Den meisten Leuten ist es hier schlichtweg peinlich so zu sein, wie man ist. Denn dann müssten sie dafür auch die Verantwortung übernehmen, was man zu gern denen überlässt, die es noch weniger tun als man selbst, wie zum Beispiel Politiker, Massenmedien, Konzerne und Stechmücken.
Die Deutschen sind nun mal – wie einige andere Mitteleuropäer auch – sehr private graue Mäuse oder gut genährte Ratten mit Beamtenstatus. Von daher haben sie eine Abneigung gegen jede Form der Öffnung. Besonders beim Thema Internet, genau dort wo jeder alles sieht und selbst nach 500 Jahren noch die Entgleisungen kursieren, die gut beleuchtet die Leichen im Wagon zeigen. Das heißt, viele wollen sauber erscheinen, weil sie es nicht sind. Oder weil sie glauben, das sie es nicht sind.
Gerade deshalb gehe ich vermehrt auf deutschsprachige Blogs, weil ich wissen will, wie man hierzulande tickt und denkt.
Auch wenn es nur wenig ist, was ich finde, so will ich denen recht geben und widersprechen. Ich will die Befindlichkeiten ausloten und die hier in Deutschland vertretenen Ansichten und Entwicklungen erfahren, auch wenn sie noch so gruselig sind. Das gibt mir zuweilen einen Kick und erspart mir dem nächsten Schuss zu setzen. Ich lese auch Blogs, die nur bedingt (wenn überhaupt) etwas mit unserem Kartell-Blog hier zu tun haben, eben weil sie echt sind.
Einige Deutsch-Blogs lese ich sogar regelmäßig, weil sie überraschend gut sind. Mit ‚gut‘ meine ich eigen. Mit eigenen Meinungen, Macharten und Macken. Nochmal, ich hatte so einige Mühe und Not, überhaupt lesbare Deutsch-Blogs zu finden. Dort lese ich still und heimlich, obwohl sie andere Themen behandeln.
Leider sind zu viele von denen all zu glatt gebügelt, weich gespült, zu gefällig, um als seriös oder als qualitativ hochwertig zu gelten. Ich kommentiere dort nicht, weil ich dort nicht gesehen werden will. (Deren zu liebe.) Die wären schockiert, was sie hier zu lesen bekämen. Aber ich bin jedenfalls erfreut, was ich dort zu lesen bekomme. Als hungriger Mann freut man sich über jeden Krümel.