„Das ist doch völlig hirnverbrannt…“

…war mal die lautstarke Antwort eines Liebhabers rustikaler Motorräder und gelernten Ingenieurs auf meine Frage, was er von Harley-Davidson bzw. deren typisches Motorkonzept hält. Damit gehört er zu jener Sorte von Leuten, die kopfschüttelnd die Rille einer Schallplatte mikroskopisch genau untersuchen, um einen Song zu beurteilen. Und falls er den Song hört, ist es für ihn nur „Krach“.

Ich will nicht sagen, daß er (ein Ex-Kollege von mir) mit dem Motorrad-Beispiel nicht recht hätte. Aus rein konstruktionstechnischer Sicht meint er die archaische Funktionsweise. Das heißt, klassische Harley-Motoren sind (für ihn) technologisch grenzwertig und daher weit von der Perfektion entfernt.

Nur, die Motoren funktionieren komischerweise trotzdem, erzeugen dadurch immer noch genug Kraft, auch etwas Nutzen und vor allem sehr viel Magie (Sound, Vibrationen). Auch die kostbarsten Bilder von zeitgenössischen Malern sind von Fotografien weit entfernt. Man weiß manchmal wirklich nicht, ob es ein Gemälde oder die Rest-Tapete mit den Farbklecksen von der letzten Renovierung ist.

Wenn das nicht so wäre, dann wäre Harley-Davidson heute wohl keine Religion, sondern (wenn überhaupt) nur eine Motorradmarke.

Perfekt zu sein kann auf Dauer sehr anstrengend werden, weil man dadurch in sehr vielen Fällen vergleichbar statt unterscheidbar, oder noch schlimmer, unsichtbar statt erkennbar wird.

Ich empfehle dringend, mal etwas „hirnverbranntes“ auszuhecken. Damit entziehen Sie sich den bekannten Maßstäben. Klar, dann wird es sicherlich viele Leute geben, die dann die Nase rümpfen oder abwertend über Sie und Ihr Werk reden. Aber die Wahrscheinlichkeit, daß Sie einen Nerv bei genau den Leuten treffen, die Ihnen wichtiger sind als Perfektionisten und Naserümpfer ist hoch.

Haben Sie sich schon einmal darüber gewundert, weshalb gerade Harleys so oft zu Kunstwerken umgebaut werden? Was meinen Sie wohl, was Kunst ausmacht (außer, daß sie „hirnverbrannt“ ist)?