Falls die Verwandtschaft kommt…

…oder falls Sie zur Verwandschaft fahren. Dann beobachten Sie mal die Kinder.

Folgendes habe ich mal erlebt:

Der vierjährige Sohn eines Bekannten hat nicht so auf Vati gehört, wie er es das eigentlich vom ihm gewohnt ist. Es ging um das Zurückgeben eines geliehenen Spielzeugs an seinen Cousin. Vati forderte ihm dazu auf. Sohnemann tat es nicht. Er spielte stur damit weiter. Somit ignorierte der Sohn die Aufforderung seines Vaters, das Spielzeug zurückzugeben.

Vati wunderte sich, denn „so ist sein Sohn sonst nie“. Das Problem: Die ganze Verwandtschaft sah bei dem Schauspiel zu. Der Raum war voller Leute, die auf Vati’s ganzen Stolz, seinen ausgerechnet heute bockigen Sohn starrten.

Ich gab meinem Bekannten den Tip, es nochmal zu versuchen, wenn alle mal experimentell den Raum verlassen würden. Die alten Omis und Opas gucken mal weg (vom Enkel). — Vati sprach seinen Sohn jetzt nochmal auf das Spielzeug an. Und siehe da, der Sohn folgte ganz brav den Anweisungen und gab seinem Cousin das Spielzeug zurück. Klein Sohnemann konnte so sein Gesicht wahren. Niemand erfuhr so von der Peinlichkeit (auf Vati hören zu müssen). — Der kleine Junge fühlte sich nicht mehr beobachtet und somit vor anderen gedemütigt.

Jetzt geht es um uns, die großen Jungs und Mädels. Auch wir haben unseren Stolz, daher sollte man andere immer mit Respekt behandeln, insbesondere wenn „Zuschauer“ mit im Spiel sind. Stolz, dessen Kehrseite die Demütigung ist, errichtet – in welcher Form auch immer – unnütze Barrieren zwischen Individuen. Er ist im Alltag nicht nur hinderlich sondern unerträglich. Aber: Um andere würdevoll zu behandeln, müssen wir vorher von unserem eigenen Stolz (der vom Ego beherrscht wird) loslassen. Manchmal lernt sogar Vati noch was dazu.