„Der hat wiedermal den Vogel abgeschossen!“
Es wäre besser um unsere Gesellschaft bestellt, wenn es mehr Leute geben würde, die bereit wären, im übertragenden Sinn (hin und wieder mal) „den Vogel abzuschießen“.
Dieser uralte Spruch mit dem Vogel hat immer noch einen negativen Beigeschmack. Nicht deshalb, weil ich gerne auf echte Vögel schießen würde (was ich nicht tue). Ich meine den schrägen Vogel selber, diesen unbedarften Spinner, den taktlosen Tolpatsch oder komischen Kauz. Dieser tut oder sagt Dinge, die nicht konform (oder normal) sind. Wer irgendwie verdreht oder nicht ganz helle im Kopf ist, der schießt „den Vogel“ eben ab. Scheinbar.
Richtig ist, daß die paar Vogelabschießer die Regeln nicht so genau nehmen, daß sie neue Ideen platzieren oder Querdenker mit hohem Kreativitätspotential sind. Damit wären sie eigentlich von hohem Nutzen für exakt jene Gesellschaft, die sie klein halten will. Wenn sie gegen diesen Konformitätszwang nicht bewußt rebellieren, was kritisch ist, dann verkümmern diese Leute innerlich.
Seit Generationen werden uns Deutschen Disziplin, Ordnung, Gehorsam und Perfektion als Tugenden eingetrichtert. Das war und ist Gleichmacherei. Jeden wurde falscher Stolz eingeimpft, damit er sich bei „Fehlverhalten“ als strafende Scham entpuppt. Damit formt man („in guter Absicht“) aus vielversprechenden jungen Menschen ängstliche Loser. Das System ist da gnadenlos.
Autoritäten galten als unfehlbar und wurden nicht hinterfragt. Von wem auch? Sie waren streng. Wehe dem, der auch nur geringfügig von der Norm abwich. Es gab nur Pflichten, aber nie Erfüllung.
Jeglicher Anflug von Kreativität wurde erdrosselt und die angehende Persönlichkeit verkam damit zur Drohne mit Fehlfunktionen, die es zu „korrigiren“ galt. Neigungen wurden so zu Macken deklariert, anstatt zu Talenten oder Fähigkeiten. Deutschland (und klassische Industriegesellschaften im allgemeinen) leiden unter diesem Dilemma nach wie vor.
Den meisten Deutschen sind zu viele Dinge einfach immer noch viel zu peinlich, um sie zu denken, zu äußern oder gar zu machen. Es fühlt sich sicherer an, nicht aus der Reihe zu tanzen, um weder Posten noch Status zu riskieren. Oder das Gesicht zu verlieren. Deshalb kommen sie erst gar nicht auf die Idee, von geltenden Meinungen abzuweichen. Strafe in Form von Gelächter oder ewige soziale Isolierung könnte ihm drohen.
In so einer Angst-Gesellschaft darf man nicht zu schlecht sein. Und erst recht nicht zu gut. Man wird zur Mittelmäßigkeit, zur unauffälligen Nummer unter vielen erzogen. Wissen Sie was das Ergebnis ist? Nur Experten für Nichtigkeiten, unproduktive Haarspalter (typische Erbsenzähler) und Pfuscher profitieren davon. Derjenige, der tatsächlich was bewegen könnte, bleibt auf der Strecke und Bedenkenträger geben den Ton an.
Viel zu wenige begehren aus obigen Gründen dagegen auf. Was können Sie tun? Schießen Sie den fetten Vogel ab. Holen Sie Ihre Ideen-Bazooka raus und zielen Sie sehr genau. Fette Vögel lassen sich gut teilen, die sind mehr Wert. Man wird Sie dafür schätzen. Sie aber müssen dafür schießen.