Es gibt sowohl Marktschreier als auch Märchenonkel. Beide haben unterschiedliche Methoden und Ziele. Beide haben ihre Daseinsberechtigung. Ist jemand gleichzeitig Marktschreier und Märchenonkel, dann wird daraus großes Entertainment, sofern er versteht, wovon er spricht. Wenn Sie Entrepreneur sind, ist diese Kombination Gold wert.
Wenn Sie die oben beschriebenen Eigenschaften besitzen und kein Entrepreneur sind, dann können Sie Ihr Talent nur einsetzen, wenn Sie zu 110% hinter dem stehen, was Ihre Organisation so fabriziert (oder treibt). Selbst dann noch, wenn Sie nicht dafür bezahlt werden und erst recht, wenn Sie Ihren persönlichen Einsatz reinstecken. Und der Kreis schließt sich.
Fakt ist, Sie werden es nicht jedem recht machen, weil die meisten eben Sie (abwertend) als „Marktschreier“ oder „Märchenonkel“ betiteln werden. Egal, Sie sind es trotzdem.
Als Jim McEwan, der nie selbst ein Unternehmen gründete (er ist das Unternehmen „Jim“) seine gut bezahlte und angesehene Position als Bowmore’s Marken-Ambassador beim japanischen Spirituosenkonzern Suntory (der aus Lost in Translation) freiwillig aufgab, um bei einem privaten Experiment auf Islay ohne sicheren Ausgang mitzumachen, lag es zum grossen Teil an ihm, ob es gelang oder nicht. Das war im Jahr 2000.
Bruichladdich [deutsch-phonetisch: „Brruch-Lahdi“] hatte nichts als Schulden, kaum relevante Kunden, die mächtige Konzern-Konkurrenz im Nacken und war eine ungünstig gelegene Ruine. Sie hatten keine Marketingabteilung. Aber sie hatten Jim. Er stand mit Inbrunst und Leidenschaft hinter seine „Babies“, wie er seine selbst kreierte Produktpalette nannte. Er schoß mit samt seiner Redegewandtheit oft über das Ziel hinaus. Egal, Perfektion ist für stumme Erbsenzähler. Jim war und ist der König in seinem Reich. (Sagt er selber und ich glaub ihm gern.)
Er und sein Mitstreiter Mark Reynier wurden zu Outlaws der Branche und brachen mit Konventionen im Akkord. Weil sie Produkte erschufen, die bei einigen Kennern als „Gepansche“ galten (jetzt nicht mehr!). Und sie hatten als erste den Mumm, aus dem obligatorischen Industrieverband, der Scotch Whisky Association (SWA) auszutreten bzw. erst gar nicht einzutreten. Wierum auch immer, es war ein Affront gegen alle. Aber die Produkte wurden beliebt und geschätzt, erhielten weltweit höchste Ehrungen von erfahrenen Gourmets, Whisky-Gurus und Aficionados.
Jede Flasche ist wie konservierte Magie. Ein persönliches Stück Jim. Die Kunden (Liebhaber) lieben das. Das einzigste, was die Kunden düpierte, war der verfrühte Verkauf an einem französischen Schnaps-Multi. Selbst das hat keinen nennenswerten Image-Schaden verursacht. Weil:
Ohne Jim hätten die kein einziges Fass verkauft. Jim müsste längst in Rente sein, aber er kann scheinbar nicht aufhören… …er ist immer noch voll da. Eben wie ein echter Entrepreneur, wie einer von uns. Aber auf seine Art.
Tip: Sie müssen sich nicht „selbstständig“ machen, um Entrepreneur, Künstler oder Outlaw zu sein. Wenn Sie Vertrauen bei Ihren Kunden genießen, dann sind Sie bereits Entrepreneur. (Bzw. Intrapreneur als Teil einer Organisation.)